"Branchen-Regelungen möglich" FDP bewegt sich beim Mindestlohn auf Union zu

Berlin · Die FDP ist im Mindestlohn-Streit mit der Union kompromissbereit. Sieben Monate vor der Bundestagswahl sehen immer mehr Liberale Handlungsbedarf im Kampf gegen Dumpinglöhne. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hält eine Einigung mit der Union für möglich.

"Ich kann mir das schon vorstellen", sagte Brüderle am Dienstag. Außenminister und Ex-Parteichef Guido Westerwelle betonte: "Die FDP ist die Partei der Leistungsgerechtigkeit. Aber drei Euro Stundenlohn hat mit Leistungsgerechtigkeit nichts mehr zu tun."

Brüderle versicherte, einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn werde es mit Schwarz-Gelb aber nicht geben. Stattdessen seien weitere Branchen-Regelungen möglich: "Deshalb muss darüber nachgedacht werden, wie man andere Leitplanken schaffen kann." Die FDP werde vertrauensvoll mit der Union verhandeln. Die Tarifhoheit müsse jedoch gewahrt bleiben: "Wir wollen nicht den Staat anstelle von Gewerkschaften und Arbeitgebern setzen."

FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler ließ erklären, er sei für Branchenlösungen offen, die regional unterschiedlich ausfallen könnten - aber nur im bestehenden gesetzlichen Rahmen, sagte eine Ministeriumssprecherin. Die FDP hatte bereits in der laufenden Wahlperiode der Einführung von Branchen-Mindestlöhnen zugestimmt, wenn sich Arbeitgeber und Gewerkschaften einig waren.

SPD will Mindestlohn über den Bundesrat durchdrücken

SPD und Grüne warfen der Koalition eine Mogelpackung vor und kündigten einen neuen Anlauf für einen gesetzlichen Mindestlohn im Bundesrat an. Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wollen am 1. März eine Gesetzesinitiative für einen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro pro Stunde einbringen. Im Dezember 2011 war die Opposition in der Länderkammer mit einem Entschließungsantrag gescheitert. Seit der Niedersachsen-Wahl gibt es dort aber eine rot-grüne Mehrheit.

FDP-Fraktionsvize Martin Lindner stellte der Union Bedingungen. Branchen- und regional differenzierten Lohnuntergrenzen seien nur denkbar, "wenn es keine aktuellen Tarifverträge dort gibt", sagte er dem Onlineportal bild.de. Im Gegenzug müsse es "eine deutliche Entlastung der Einkommensmittelschicht" geben, etwa durch die Streichung des "Soli"-Zuschlags für Jahreseinkommen bis 100 000 Euro.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hält davon nichts. Der Soli spült ihm jährlich 13 bis 14 Milliarden Euro in die Kasse.

Der niedersächsische Landeschef Stefan Birkner sagte der "Welt": "Wir dürfen uns nicht in die arbeitnehmerfeindliche Ecke drängen lassen." Der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Heiner Garg setzte sich wie die Union für eine Lohnfindungskommission gegen Dumpinglöhne ein.

Das von der Union angestrebte Modell sieht einen Mindestlohn nur für Beschäftigte ohne Tarifvertrag vor. Differenzierungen nach Branchen, Regionen und Arbeitnehmergruppen sollen möglich sein.
Festgelegt werden soll das von einer paritätisch besetzten Kommission von Arbeitgebern und Gewerkschaften.

Die SPD-Vizevorsitzende Manuela Schwesig kritisierte: "Dass nun die FDP sich ihre Zustimmung zu dieser Mogelpackung mit der Abschaffung des Soli abkaufen lassen will, zeigt knallhart, dass die FDP sich um den Osten Deutschlands einen feuchten Kehricht schert." Mit regionalen Lohnuntergrenzen würden "Lohnunterschiede zwischen Ost und West dauerhaft zementiert". DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki warf der Koalition Etikettenschwindel vor.

Unter Schwarz-Gelb traten folgende sieben Branchen-Mindestlöhne in Kraft: Abfallwirtschaft, Bergbauspezialarbeiten, Großwäschereien, Sicherheitsdienste, Aus- und Weiterbildung, Pflege und Zeitarbeit.

(dpa/felt)
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