Festnahmen in Dortmund, Duisburg, Tönisvorst "Bei den Personen handelt es sich um Chef-Ideologen des IS"

Duisburg/Dortmund · In NRW und Niedersachsen sind fünf Terrorverdächtige festgenommen worden. Polizeieinsätze gab es unter anderem in Duisburg, Dortmund und Tönisvorst. Die Männer sind führende Ideologen des "Islamischen Staates".

 Eine der Razzien fand in Tönisvorst statt.

Eine der Razzien fand in Tönisvorst statt.

Foto: RPO

Es ist kurz vor sechs Uhr am Dienstagmorgen, als vor einem Reisebüro und einer Wohnung in Duisburg-Rheinhausen zeitgleich mehrere Fahrzeuge der Polizei halten. Die Beamten des Landeskriminalamtes (LKA), die im Auftrag des Generalbundesanwalts gekommen sind, gehen in die Gebäude und nehmen den türkischen Inhaber des Reisebüros fest, den 50 Jahre alten Hasan C. Er steht in Verdacht, für die Terrorvereinigung "Islamischer Staat" (IS) junge Männer angeworben zu haben. "Er hatte die Aufgabe, Gleichgesinnte und Ausreisewillige in der arabischen Sprache und salafistischen Lehre zu unterrichten", sagt Innenminister Ralf Jäger (SPD).

Zeitgleich zu der Festnahme in Duisburg hat es Anti-Terror-Einsätze in Dortmund, Tönisvorst und in Niedersachsen gegeben, an denen 370 Polizisten und Mitglieder des Verfassungsschutzes beteiligt gewesen sind. Insgesamt sind fünf Terrorverdächtige festgenommen worden, darunter der 32 Jahre alte Iraker Abu Walaa. Er gilt als prägende Figur der bundesweit einflussreichen Islamisten-Szene in Hildesheim und als einer der Hauptrepräsentanten des "Islamischen Staates" (IS) in Deutschland. Er ist in Tönisvorst gemeldet. Neben ihm und dem Duisburger Hasan C. sind noch ein 36-jähriger Deutsch-Serbe, ein 27-jähriger Deutscher und ein 26-jähriger Kameruner festgenommen worden.

Die Bundesanwaltschaft wirft den Männern vor, ein überregionales salafistisches Netzwerk gebildet zu haben. In mindestens einem Fall hat die Gruppe einen jungen Mann mit seiner Familie in die Gebiete des IS geschleust. "Bei den Personen handelt es sich um Chef-Ideologen des IS", sagt Jäger. Mit deren Festnahme hätte die Terrormiliz einen empfindlichen Schlag erlitten, so Jäger weiter. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wertet die Verhaftungen als "wichtigen Erfolg". Diese gute Nachricht zeige, dass die Sicherheitsbehörden "entschlossen und wachsam sind".

Beim Verfassungsschutz werden die fünf Terrorverdächtigen als sogenannte Radikalisierer geführt, von denen es in NRW 25 geben soll und die allesamt unter Beobachtung stehen. "Die Festgenommenen sind federführend in der Szene. Sie unterweisen junge Leute pseudoreligiös und bereiten sie auf ihre Ausreise nach Syrien und in den Irak vor", erklärt NRW-Verfassungsschutzchef Burkhard Freier. Ein solcher Unterricht diene nach Angaben der Bundesanwaltschaft dazu, die ideologischen und sprachlichen Grundlagen für eine zukünftige Tätigkeit beim IS, insbesondere für die Teilnahme an Kampfhandlungen, zu schaffen. Diese Rekrutierungen finden meistens auf persönlicher Ebene statt. Moscheen, so Freier, spielten dabei keine große Rolle. "Die Radikalisierungen und Anwerbungen erfolgen in Wohnungen oder auf den vermeintlichen Benefizveranstaltungen, auf denen angeblich für Spenden für Kriegsopfer geworben wird."

Hasan C., der Betreiber des Duisburger Reisebüros, soll eine zentrale Figur in der Rekrutierungsszene gewesen sein. So soll er unter anderem die beiden Attentäter des Bombenanschlags auf den indischen Sikh-Tempel in Essen ideologisiert haben. Die beiden Jugendlichen sollen vor dem Anschlag mehrfach bei ihm gewesen sein. Neben dessen Reisebüro befinden sich Räumlichkeiten, in denen er ihnen und anderen Jugendlichen Arabisch beigebracht und aus dem Koran vorgelesen haben soll. C. hat zuvor stets bestritten, die Sikh-Attentäter zu kennen. Doch die Beweise, die die Sicherheitsbehörden gegen ihn gesammelt und die schließlich zu seiner Festnahme geführt haben, besagen das Gegenteil.

Der entscheidende Hinweis, der nach langer Ermittlungsarbeit schließlich zu den gestrigen Festnahmen geführt hat, ist von einem 22 Jahre alten Rückkehrer aus dem IS-Gebiet in Syrien gekommen, der Ende September in Deutschland festgenommen worden ist. "Er ist zunächst hier radikalisiert worden und dann nach Syrien ausgereist. Bei seiner Rückkehr ist er direkt festgenommen worden", sagt Ralf Jäger. "Er hat dann ausführlich ausgesagt. Um ihn zu schützen, werden wir keine weiteren Angaben über ihn machen", so der Innenminister. Vor seiner Festnahme in Deutschland hat der junge Mann dem Rechercheverbund von NDR, WDR und SZ in der Türkei noch ein Interview gegeben, in dem er den festgenommenen Iraker Abu Walaa schwer belastet und als "die Nummer 1 des IS in Deutschland" bezeichnet hat.

(csh)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort