1,5 Milliarden mehr für NRW Fragen und Antworten zum neuen Länderfinanzausgleich

Berlin/Düsseldorf · Das Bundesfinanzministerium hat auf die Einigung der Länder über ihre künftigen Finanzbeziehungen nüchtern reagiert. Man müsse erst einmal rechnen, hieß es. Immerhin wollen die Länder künftig knapp 9,7 Milliarden Euro pro Jahr unter sich aufteilen statt der von Finanzminister Schäuble zugesagten 8,5 Milliarden Euro.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

Die bestehende Grundlage für das komplizierte Bund-Länder-Finanzgeflecht läuft Ende 2019 aus. Bis dahin gilt der Solidarpakt II, durch den die Ostländer besondere Zuwendungen des Bundes erhalten. Finanziert werden die Zuwendungen aus dem Solidaritätszuschlag, den die Steuerzahler entrichten. Künftig wollen alle 16 Bundesländer von den Zuweisungen des Bundes profitieren. Nun mussten sie sich auf eine Verteilung einigen und dadurch ihr Finanzgeflecht grundsätzlich neu regeln.

Die Verfassung schreibt für das Bundesgebiet eine Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse vor. Der Länderfinanzausgleich sorgt dafür, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder ausgeglichen wird. Daher haben auch chronisch klamme Länder und Stadtstaaten wie das Saarland oder Bremen ein Anrecht auf hohe Zahlungen.

Künftig soll die Umverteilung des Geldes zwischen den Ländern transparenter werden. Ein besonderes Ärgernis war für Länder wie NRW mit einer hohen Anzahl an Unternehmen der sogenannte Umsatzsteuervorwegausgleich, die erste Stufe des ganzen Ausgleichsverfahrens. Dabei wird ein Teil der Umsatzsteuereinnahmen in Höhe von bundesweit 200 Milliarden Euro jährlich direkt an Länder mit geringem Steueraufkommen gegeben — vor dem eigentlichen Länderausgleich. Die Umsatz- oder Mehrwertsteuer fällt bei Geschäftsleistungen aller Art an. Länder wie NRW zahlen dadurch an strukturschwache Regionen wie den Osten. Künftig sollen die Umsatzsteueranteile nach Maßgabe der Einwohnerzahl verteilt werden — und je nach Finanzkraft der Länder mit Zu- oder Abschlägen versehen werden. Durch das neue System würde NRW in den Kreis der vier Länder (Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen) aufrücken, die im eigentlichen Länderfinanzausgleich, der zweiten Stufe des Ausgleichssystems, bereits Geberländer waren.

Bisher hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den Ländern zur Neuregelung des Systems eine zusätzliche Summe von 8,5 Milliarden Euro angeboten. Die Länder beziehen diese Summe aber auf das Jahr 2014. Umgestellt wird erst 2019, also rechneten die Ministerpräsidenten nach eigenen Angaben die Summe mit Faktoren wie Preissteigerungen und Wirtschaftswachstum auf das Jahr 2019 hoch und kamen so auf eine Summe von knapp 9,7 Milliarden Euro. Aber: Beobachter werten diese Rechnung als schöngefärbt im Sinne der Länder.

Von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gab es gestern keine Stellungnahme. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erklärte intern: "Das ist lediglich eine Grundlage für weitere Verhandlungen." Sein Staatssekretär Werner Gatzer sagte bei einer Veranstaltung in Berlin, es handele sich um einen "positiven Vorschlag, der den Streit zwischen den Ländern beendet". Allerdings würde der Bund den Anteil der Länder an der Umsatzsteuer nicht einfach erhöhen, wie es die Länder wünschen. Aus Schäubles Ressort hieß es: "Eine Einigung zulasten Dritter ist immer leicht." Man sei nicht davon ausgegangen, dass die 8,5 Milliarden Euro dynamisiert werden. Überrascht zeigte sich die Regierung auch über neue Punkte der Länder wie die Forschungsförderung und die Leistungen an Kommunen. Nun müsse man erst einmal rechnen. Kritik an der Ländereinigung kam auch aus den Fraktionen. SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider sagte unserer Redaktion: "Erneut war eine Einigung zwischen den Ländern offenbar nur auf Kosten des Bundes möglich, ohne ihn dabei zu beteiligen." Die Summe, die dazu dienen solle, den bisherigen Ausgleich zwischen den Ländern teilweise zu kompensieren, sei "in der Höhe und der Dynamik nicht akzeptabel", sagte Schneider. Auch Unions-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus (CDU) kritisierte die Einigung als inakzeptabel.

Auszuschließen ist das nicht. Möglich wäre zum Beispiel eine Kürzung von Mitteln bei der Flüchtlingshilfe. Schließlich müssen nicht nur die Länder die Schuldenbremse einhalten, auch Schäuble plant fest mit einem ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung.

Wenn die zusätzliche Ausschüttung des Bundes an die Länder nicht an anderer Stelle wieder eingespart wird, haben die Länder unter dem Strich mehr Geld zur Verfügung. Das hilft ihnen auf dem Weg zur Schuldenbremse. Aber verbesserte Einnahmen alleine werden nicht reichen. Insbesondere NRW wird zusätzlich neue Sparmaßnahmen ergreifen müssen, um die Vorgabe eines mittelfristig ausgeglichenen Haushaltes zu erreichen.

Unter dem Strich war NRW auch bislang schon oft Geberland (siehe Grafik). Wegen der komplizierten Überlagerung mehrerer Ausgleichssysteme ging die Geberrolle von NRW aber bislang meistens unter.

Im eigentlichen Länderfinanzausgleich war NRW zuletzt 2009 Einzahler: Damals flossen 59 Millionen Euro aus Düsseldorf in den Topf.

CDU und FDP meinen, die rot-grüne Landesregierung habe schlecht verhandelt. "Absolut enttäuschend, da unser Land von dem größeren Kuchen der Länderfinanzen nur einen unterdurchschnittlichen Anteil erhält", sagt FDP-Finanzexperte Ralf Witzel. Marcus Optendrenk (CDU) rechnet vor, dass in NRW jeder Bürger pro Kopf 87 Euro zusätzlich vom Bund erhält — weniger als die Einwohner aller anderen Bundesländer außer Niedersachsen und Saarland. Optendrenk: "Im Ländervergleich stehen wir wieder genau dort, wo wir auch vorher standen."

(RP)
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