Zustrom bricht alle Rekorde Deutsche wollen Flüchtlingen helfen

Berlin · Trotz der Rekorde bei den Flüchtlingszahlen ist die Hilfsbereitschaft ungebrochen. Allerdings gibt es auch Angriffe auf Unterkünfte. NRW-Innenminister Jäger fordert vom Bund eine Pauschale je Flüchtling.

Kosten für Flüchtlinge: Die wichtigsten Antworten
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Foto: dpa, rwe lof

Der Zustrom schutzsuchender Menschen nach Deutschland bricht alle Rekorde. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) rechnet damit, dass die Bundesregierung die Prognose von 450.000 Asylbewerbern 2015 noch einmal deutlich nach oben schrauben muss. Allein in der vergangenen Woche hat Nordrhein-Westfalen 5300 Flüchtlinge aufgenommen - so viele wie noch nie. Für NRW hätte die ursprüngliche Schätzung die Unterbringung von 85.000 Menschen bedeutet; in den ersten sechs Monaten kamen aber bereits 77.000. "Es werden also mit Sicherheit deutlich über 100.000", sagt Jäger.

Gleichwohl bleibt die Hilfsbereitschaft in den meisten Regionen unverändert hoch. "Die Menschen sehen abends im Fernsehen das Leid in Syrien und helfen am nächsten Morgen beim Aufbau einer neuen Unterkunft", berichtet Jäger. Nach einer aktuellen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen meinen 54 Prozent, Deutschland könne auch eine hohe Zahl von Flüchtlingen verkraften. 52 Prozent wandten sich laut Emnid zudem gegen Pläne, Asylbewerbern das Taschengeld zu kürzen, auch wenn ihr Antrag kaum Chancen habe.

Rechtsextremisten versuchen jedoch, gegen die Unterbringung Stimmung zu machen. In Dresden kam es Freitagabend zu Ausschreitungen, als Asylgegner linke Gegendemonstranten attackierten, die knapp 500 Flüchtlinge in einer Zeltstadt willkommen heißen wollten. Drei Kundgebungsteilnehmer wurden verletzt. Über das Wochenende hinweg arbeiteten zahlreiche Helfer in Dresden daran, Platz für weitere 600 Flüchtlinge zu schaffen.

Blick in das Flüchtlingsheim in Essen
7 Bilder

Blick in das Flüchtlingsheim in Essen

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Auch in Nordrhein-Westfalen werden Flüchtlinge vermehrt in Zelten untergebracht, da reguläre Immobilien kaum noch zur Verfügung stehen. "Wir müssen nun zu unorthodoxen Lösungen greifen", kündigte Jäger an. Klimatisierte Zelte mit festem Boden seien wintertauglich und besser als manche Turnhalle. Auch die Bundeswehr prüft derzeit, wie sie mehr logistische Hilfe bei der Flüchtlingsaufnahme leisten kann. Es seien bereits in acht Kasernen 3500 Unterkunftsplätze bereitgestellt worden.

Der NRW-Innenminister wandte sich inzwischen an seinen Amtskollegen Thomas de Maizière (CDU) in Berlin, um ihn im Westbalkan um ein ähnliches Vorgehen zu bitten wie zu Beginn des Jahres im Kosovo. "Es muss dringend eine klare Kommunikation der Bundesregierung nach Albanien, Serbien und Montenegro geben, damit der dortigen Bevölkerung deutlich wird, wie aussichtslos es ist, sich auf den Weg nach Deutschland zu machen", sagte Jäger. Die Leute fielen auf Versprechungen von Schlepper-Organisationen herein, verkauften ihr letztes Hab und Gut und müssten dann wieder zurückkehren.

Zu drastischen Maßnahmen greift derweil der ungarische Staat. Er baut einen vier Meter hohen Zaun, um die 175 Kilometer lange Grenze zum Nachbarland Serbien abzuriegeln. Dieser solle nicht erst Ende November, sondern bereits Ende August stehen, teilte Ministerpräsident Viktor Orbán mit.

Die Staatssekretäre von Bund und Ländern bereiten derzeit eine Entscheidung über ein größeres finanzielles Engagement des Bundes bei der Flüchtlingsaufnahme vor. Die finanzielle Belastung hat sich in den meisten Ländern mehr als verdoppelt, teilweise sogar verdreifacht und wird in NRW vermutlich die Milliardengrenze überschreiten. "Das Beste wäre, wenn der Bund eine Pauschale je Flüchtling übernimmt, das würde die kommunalen Haushalte sofort entlasten", sagte Jäger.

(may-)
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