Asylpolitik Flüchtlingsausweis ist ein überfälliger Schritt

Meinung | Berlin · Der vom Kabinett beschlossene Flüchtlingsausweis und die damit angestrebte Vereinfachung des Datenabgleichs zwischen den Behörden ist überfällig. Es ist ein Skandal, dass bisher jeder Flüchtling von mindestens fünf Behörden befragt wird, weil ein Austausch der Daten zwischen Bundespolizei, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, den Ausländerbehörden und der Arbeitsagentur nicht möglich ist.

So sieht der Ankunftsnachweis für in Deutschland gemeldete Flüchtlinge aus.

So sieht der Ankunftsnachweis für in Deutschland gemeldete Flüchtlinge aus.

Foto: dpa, skh pzi

Und es ist schlicht nicht mehr zeitgemäß und im Übrigen den Verwaltungskräften auch nicht mehr zuzumuten, dass viele der Daten für die Registrierung der Flüchtlinge händisch in Papierakten abgelegt werden, doppelt und dreifach im Bundesgebiet verteilt, je nach Reiseverlauf der Geflohenen innerhalb Deutschlands. Dieses Chaos gehört schnellstens abgeschafft, der Flüchtlingsausweis ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin.

Dieses einheitliche Dokument, das Daten wie Name, Geburtsdatum, Staatszugehörigkeit und Religionsgemeinschaft enthält, ist wichtig für die Abläufe, aber auch für die Flüchtlinge selbst. Es gibt ihnen ein Stück mehr Sicherheit im quälenden bürokratischen Prozess der Registrierung, noch bevor überhaupt das langwierige Asylverfahren eröffnet wird.

Noch wichtiger sind jedoch die im Hintergrund und auf IT-Basis abgelegten Daten über die Flüchtlinge, auf die künftig neben den Sicherheitsbehörden auch die Bundesagentur für Arbeit zurückgreifen kann: Fingerabdruckdaten, Informationen zu Impfungen, Namen der begleitenden Kinder und Informationen zur Schul- und Berufsausbildung.

Wenn die Rechnung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und seinen Kabinettskollegen aufgeht, könnte die neue Datenerhebung und der Ausweis auch die Sicherheit im Land erhöhen. Dann hätten nämlich auch Ermittlungsbehörden deutlich schneller Zugriff auf die Bewegungen von Verdächtigen. Und sie könnte bei der Arbeitsvermittlung und Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge hilfreich sein — Datenschutzbedenken, die auf den Abgleich der Informationen bezogen werden, rutschen angesichts solcher Vorteile in den Hintergrund.

Aber damit diese Rechnung wirklich aufgeht und die Vorteile zum Tragen kommen, sind noch viele Hürden zu nehmen, die auch dieses neue Gesetz zur "Verbesserung der Registrierung und des Datenaustausches zu aufenthalts- und asylrechtlichen Zwecken" nicht überwindet. So zum Beispiel, dass die wahre Identität und Herkunft von Flüchtlingen häufig nur in langwierigen Prozessen ermittelt werden kann, weil die Ausweisdokumente auf der Flucht von Schleppern beschlagnahmt werden, verloren gehen oder mit Absicht entsorgt werden, um die Chancen auf Asyl zu erhöhen.

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Und es steht in den Sternen, ob tatsächlich die Asylverfahren beschleunigt werden, wenn Syrer weiterhin der allein schon aus Sicherheitsgründen durchaus sinnvollen Einzelfallprüfung unterzogen werden. Hinzu kommt, dass einer der wesentlichen Bremsklötze im Verwaltungsverfahren auch mit dem sogenannten "Ankunftsnachweis" bestehen bleiben wird: Die Kapazitätsengpässe bei der Registrierung. Nicht nur in Berlin dauert es viel zu lange, bis Flüchtlinge den genannten Termin zur Registrierung tatsächlich wahrnehmen können.

Das nächtliche Campieren der Flüchtlinge vor den Amtsstuben bei winterlichem Wetter wird auch durch den neuen Gesetzentwurf nicht beseitigt werden. Denn wie beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mangelt es auch in der Kommunalverwaltung schlicht an Personal. Und dass die Bearbeitung der Asylanträge wie auch die Registrierung weiter beschleunigt scheitert vor allem daran.

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