Flüchtlingsdebatte Kommunen warnen vor "sozialem Sprengstoff"

Berlin · Der deutsche Städte- und Gemeindebund ruft um Hilfe. Wenn Kommunen damit anfangen müssten, für die Finanzierung der Flüchtlingsversorgung anderswo Ausgaben zu kürzen, sei das "sozialer Sprengstoff", meint dessen Geschäftsführer Gerd Landsberg.

 Eine Notunterkunft in Leverkusen.

Eine Notunterkunft in Leverkusen.

Foto: Stadt

Im Streit über die Finanzierung der Flüchtlingsversorgung warnen die Kommunen vor "sozialem Sprengstoff". "Wenn in den Städten plötzlich Geld für Sport, Bildung und Kultur fehlt, weil es für Flüchtlinge gebraucht wird, führt das nicht zu einer höheren Akzeptanz", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der "Passauer Neuen Presse" vom Samstag. Niedersachsen verlangte ein Spitzentreffen zu der Problematik.

Die Aufgaben der Städte und Gemeinden bei der Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen seien "gewaltig", sagte Landsberg. Die Situation dürfe "nicht zum sozialen Sprengstoff werden". Landsberg mahnte eine "faire Verteilung der Aufgaben und finanziellen Lasten" an: Zwar müssten die Kommunen Flüchtlinge aufnehmen, integrieren und versorgen, "aber die Finanzierung ist eindeutig Aufgabe von Bund und Ländern".

Für die Jahre 2015 und 2016 hat der Bund zusätzliche Mittel von jeweils 500 Millionen Euro zugesagt, die an die Länder fließen und an die Kommunen weitergereicht werden sollen. Diese Vereinbarung basiert auf der Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von 300.000 Asylanträgen im Jahr 2015. Allerdings gehen viele Bundesländer von deutlich höheren Zahlen aus. Die finanziellen Pläne für dieses und das kommende Jahr reichten daher nicht aus, betonte Landsberg. Den jüngsten Vorstoß von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), den Kommunen für die Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen mehr Hilfe vom Bund zukommen zu lassen, bezeichnete Landsberg als "richtig".

Dagegen nahm der Unions-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach (CDU) die Bundesländer in die Pflicht. Dass viele Kommunen über ständig steigende Kosten klagten, "ist angesichts der ganz unterschiedlichen Erstattungspraxis der Länder verständlich", sagte Bosbach der "Passauer Neuen Presse". Bayern etwa komme für fast hundert Prozent der Kosten auf, Nordrhein-Westfalen lediglich für gut die Hälfte.

Eine deutliche Entlastung könne durch eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge erreicht werden, sagte Bosbach. Dafür ist das BAMF zuständig. Bosbach verwies darauf, dass bei der Behörde in den nächsten zwei Jahren 650 neue Stellen geschaffen würden.

Auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) betonte die Bedeutung des BAMF. "Das ist der entscheidende Flaschenhals, denn die Asylverfahren dauern viel zu lange", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". Auch Weil forderte aber mehr Geld vom Bund. "Wenn sich der Trend fortsetzt und die Bewerberzahlen 2015 dramatisch steigen, dann ändert sich die Geschäftsgrundlage, auf der wir im letzten Jahr die Zahlungen des Bundes festgelegt haben", sagte er.

Ein Flüchtlingsgipfel noch in diesem Sommer sei "zwingend erforderlich", sagte Weil. Der Umgang mit Flucht und Asyl sei "ohne Zweifel in diesem Jahr die größte innenpolitische Herausforderung für Deutschland". Auch Landsberg forderte, es müsse im Laufe des Jahres "eine klare Verabredung" über ein Gesamtkonzept geben. Dazu gehörten Fragen der Finanzierung und ein Aktionsplan für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge.

(AFP)
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