Migration Ein Marshall-Plan für die Flüchtlingskrise

Berlin · Der Flüchtlingsstrom ist trotz der ungünstigen Witterung weiterhin ungebrochen. Doch es gibt Vorschläge, die Zahlen zu reduzieren und trotzdem humanitär und rechtsstaatlich zu bleiben.

Crashkurs im Einkaufen und Ticketziehen für Flüchtlinge
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Foto: Endermann, Andreas

Politiker schieben schwer zu lösende Probleme gern auf die Zeitschiene. Beim Thema Flüchtlingskrise funktioniert das nicht. "Uns läuft die Zeit davon", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Aus jahrzehntelanger Erfahrung weiß der CDU-Politiker, dass europäische und internationale Lösungen nicht schnell zu haben sind. Wenn aber täglich 3000 Flüchtlinge im griechischen Hafen Piräus ankommen, haben die Europäer und vor allem Deutschland nicht mehr viel Zeit. Zehn unkonventionelle Empfehlungen, wie es trotzdem schneller vorwärts geht.

Kommunikationsstrategie überdenken und eine internationale Aufklärungskampagne starten

Die schnelle, internationale Wirkung von Kommunikationsarbeit über das Internet wird von der Bundesregierung sträflich unterschätzt. Die Bundeskanzlerin sollte ihr hohes persönliches Ansehen in der Welt, die Marke "Angela Merkel", viel stärker einsetzen, um darauf hinzuwirken, dass sich weniger Menschen nach Europa auf den Weg machen. Merkels "Willkommenskultur" haben in der Welt das einseitige Bild vom "Willkommens-Deutschland" entstehen lassen, das nur die Kanzlerin selbst korrigieren kann. Sie muss der Welt sagen, dass Deutschland ab sofort nur noch Flüchtlinge mit eindeutigen Identitätsnachweisen aus den Kriegsgebieten in Syrien und Irak aufnehmen kann. Alle anderen werden abgewiesen.

Transitzonen oder Einreisezentren an der deutschen Grenze

Deutschland muss auch unabhängig von der europäischen Entwicklung die Einreise in unser Land wieder schärfer kontrollieren. Die Idee der Einreisezentren wurde bislang viel zu halbherzig umgesetzt. Es muss bessere Möglichkeiten geben, jene Flüchtlinge in schnellen Asyl-Verfahren zurückzuweisen, die keine Chance auf ein Bleiberecht in Deutschland haben.

Finanzhilfe für die UN-Flüchtlingslager, Syrien und Afrika aufstocken

Ende 2014 kündigte das UN-Welternährungsprogramm an, die Hungerhilfe für 1,7 Millionen Syrer in den Flüchtlingslagern rund um Syrien deutlich zu reduzieren. Zu viele Geldgeberländer hielten ihre Zusagen nicht ein. Deutschland hat ebenfalls die Zahlungen an die UN gekürzt und nationale Programme aufgelegt. Die geringeren Mittel war ein Auslöser der Völkerwanderung nach Europa: Hunderttausende Syrer machten sich aus purer Not auf den Weg. Bis heute ist der Missstand nur teils behoben, obwohl etwa Deutschland seine Geldzusagen wieder stark erhöht hat. Doch damit nicht genug: Schäuble spricht zu Recht von einem "Marshall-Plan" Europas für Syrien, für den Nahen Osten und für Afrika, um den Menschen dort überhaupt so etwas wie eine Zukunftsperspektive zu geben.

Griechenland helfen

Athen ist bekanntermaßen selbst nicht in der Lage, eine funktionierende Verwaltung aufzubauen. Griechenland muss Personal für die Verwaltung seiner Registrierzentren ("Hotspots") aus anderen EU-Ländern akzeptieren. Zur Sicherung der EU-Außengrenzen muss Griechenland sich zudem mit der Hilfe ausländischer Polizei einverstanden erklären. Sonst darf es nicht länger Mitglied im Schengen-Raum sein.

Mit der Türkei kooperieren

Die Türkei ist der zentrale Partner zur Eindämmung der Flüchtlingszahlen. Sie hat selbst ein Interesse daran, gemeinsam mit Europa das Problem zu lösen. Deutschland wird für die Hilfe der Türken allerdings politisch wie finanziell einen hohen Preis zahlen müssen. Denn die Flüchtlingsströme bieten den Türken auch ein Erpressungspotenzial.

Einheitliches EU-Asylrecht ankündigen, Geduldete schneller abschieben

Auch wenn ein einheitliches Asylrecht in ganz Europa ein kompliziertes Unterfangen ist, könnte Merkel als mächtigste Frau Europas ein solches zumindest versuchen. Zugleich muss Deutschland seine vergleichsweise großzügigen Standards im Asylverfahrensrecht abbauen. Ausweisungen und Abschiebungen vor allem straffälliger Asylbewerber muss die Regierung rechtlich und personell erleichtern. Daran wird bereits unter Hochdruck gearbeitet. Auch den Familiennachzug muss Berlin erschweren.

Nordafrikanische Länder zu sicheren Herkunftsländern erklären

Die Zuwanderungswelle aus Marokko, Algerien und Tunesien muss gestoppt werden. Werden auch diese Länder zu sicheren Herkunftsländern erklärt, könnte die Regierung leichter begründen, dass Migranten von dort bei uns keine Bleibeperspektive haben.

Arbeit für Migranten erleichtern Flüchtlinge brauchen schneller als bisher eine Job-Perspektive. Integration funktioniert am effektivsten über den Arbeitsmarkt. Deshalb muss Berlin die Vorrangprüfung abschaffen, nach der Job-Center erst prüfen, ob nicht auch ein Deutscher zur Verfügung steht. Mehr Integrations- und Sprachkurse und schnellere Asylverfahren gehören gleichfalls in diese Agenda.

Gettoisierung vermeiden Durch Einführung einer Wohnsitzauflage für Asylbewerber kann die Regierung verhindern, dass alle Flüchtlinge zu ihresgleichen in die großen Städte streben. Auch in mittleren Zentren gibt es Arbeitsplätze für Migranten, oft sogar mehr und schneller. Den Wohnungsbau sollte die Regierung dadurch ankurbeln, dass sie die Mietpreisbremse in manchen Regionen wieder aussetzt, weil sie Investoren abschreckt.

Kampf gegen den IS verstärken Mit dem Islamischen Staat (IS) lässt sich nicht verhandeln. Deshalb muss Deutschland in den Kampf gegen den IS-Terror mehr investieren - auch mit Bundeswehreinsätzen. Der Kampf findet aber auch hier statt: in den Moscheen. Auch dafür braucht es mehr Personal und Geld. Die Kooperation mit gemäßigten Muslimen muss verbessert werden.

(mar)
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