Frank-Walter Steinmeier Ein Bundespräsident, der sich einmischt

Meinung | Berlin · Klare Worte in Richtung Ankara, eine Kampfansage an Populisten, ein Plädoyer für die liberale Demokratie. Frank-Walter Steinmeier hat in seiner Antrittsrede am Mittwoch deutlich gemacht, wie er das Amt als Bundespräsident ausfüllen will.

Joachim Gauck hat dem Präsidentenamt die Würde zurückgegeben. Das neue Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier wird diese zu wahren und zu mehren wissen. Zu seiner Vereidigung demonstrierte Steinmeier, dass er ein Bundespräsident werden will, der sich politisch einmischt und auch Konflikte nicht scheut.

Mit seinen klaren Worten an die Türkei und die Aufforderung den Journalisten Deniz Yücel freizulassen, schöpfte Steinmeier schon in seiner ersten längeren Reden die Grenzen seines Amtes aus, was Einmischung ins politische Tagesgeschäft angeht. Das war richtig. Wenn die Bundesregierung und die ganze Nation derart unflätig von der Türkei verbal angegriffen werden, kann und sollte sich auch das Staatsoberhaupt einmischen. Trotz aller Deutlichkeit unterließ es Steinmeier nicht, den Türken eine Brücke zu bauen. In dieser Passage der Rede führte die alte Rolle als Außenminister das Wort.

Die Chancen stehen gut

Steinmeier war zudem so klug, sich tief - fast demütig - vor seinem Vorgänger zu verneigen. Die Chancen, dass sich so der Glanz der Präsidentschaft Gaucks von einem Silberhaupt auf das andere überträgt, stehen gut. Von Gauck übernehmen wird Steinmeier die Rolle des Mutmachers und die Streitlust für Demokratie. Überraschend war seine Ankündigung, auch Unternehmen, Betriebsräte und Kindergärten zu besuchen. Nicht, dass ein Präsident nicht solche Besuche machen kann — die Ankündigung klang aber trotz seines Versprechens der Überparteilichkeit ein wenig nach Wahlkampftour.

 Frank-Walter Steinmeier (rechts) mit seinem Vorgänger Joachim Gauck.

Frank-Walter Steinmeier (rechts) mit seinem Vorgänger Joachim Gauck.

Foto: afp

Für Gauck war die Vereidigung seines Nachfolgers eine Stunde, die ihn sehr beglückt haben wird. Respekt, Hochachtung und menschliche Wärme, die ihm von allen weiteren hohen Amtsträgern des Staates entgegenschlugen, machten deutlich, dass er seinen Platz in den Geschichtsbüchern sicher hat — als ein Mann, der die Macht der Worte zugunsten der Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu nutzen wusste.

(qua)
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