FDP legt sich auf Steinmeier fest Es ampelt und schwampelt wieder

Berlin · Wen die 36 FDP-Wahlleute zu ihrem Favoriten für die Bundespräsidentenwahl küren, ist für das Ergebnis ungefähr so wichtig wie das 27. Gurkenstück für den Geschmack im Rollmopsglas. Doch die Symbolik ist nicht zu unterschätzen.

Das ist Frank-Walter Steinmeier
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Die zehn Freien Wähler in der Bundesversammlung haben einen, die 35 AfDler haben einen, die 95 Linken haben einen und die 923 Wahlleute von Union und SPD haben auch einen — einen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten. Die absolute Mehrheit liegt bei 621 Stimmen. Also wird am 12. Februar sehr schnell alles geklärt sein. Da muss keiner der Wahlleute aus den anderen Parteien sein Kreuz bei Frank-Walter Steinmeier machen.

Union fehlen lediglich 81 Stimmen

Aber die 384 Leute starke SPD-Fraktion in der Bundesversammlung hätte es nicht alleine geschafft. Insofern kommt es schon einem besonderen Politikum gleich, dass sich weder FDP noch Grüne den weit verbreiteten Frust in der Union nicht zunutze machten. Der Union fehlen lediglich 81 Stimmen zur eigenen Mehrheit, und vor diesem Hintergrund ist das Grollen groß, einen "Roten" wählen zu müssen. Doch bei dieser Alternative — Armutsforscher Christoph Butterwegge bei den Linken, Albrecht Glaser bei der AfD und TV-Richter Alexander Hold bei den Freien Wählern — sammeln sich die Kreuze dann wohl doch bei Steinmeier.

Eine attraktive Alternative, etwa in einer klugen und angesehen Frau als Kandidatin der Grünen oder etwa in einer ausstrahlenden und liberalen Persönlichkeit als Kandidat der FDP, hätte eine Zerrüttung der großen Koalition vorführen können. Die Wahl ist geheim, niemand kann wegen seiner Entscheidung in der Wahlkabine erkannt, geschweige denn politisch belangt werden. Wir hätten also am Ende eine Bundesversammlung mit einem Hauch von Spannung und vielleicht sogar eine Überraschung erleben können.

Stattdessen definiert die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt den SPD-Mann Steinmeier als "respektablen Kandidaten", empfiehlt nun auch FDP-Chef Christian Lindner die Wahl Steinmeiers. Dieser habe der FDP zugesagt, "Mutmacher" sein zu wollen. Also so etwas wie der ideale Kopf für eines der zentralen liberalen Wahlkampfthemen. An der Stelle sei an das vorletzte FDP-Parteitagsthema erinnert: "German Mut". Der sozialdemokratische Kandidat der Christdemokraten ist also ein Ökoliberaler.

Von wegen "Frühstücksdirektor"

Damit wird klar, dass - wie bei so vielen Präsidentschaftswahlen zuvor - auch diese Bundesversammlung wieder Signalcharakter für die Ausbildung der nachfolgenden Machtverhältnisse bekommen kann. Eine weitere GroKo geht. Und wenn SPD, Grüne und FDP jeweils noch ein paar Prozentpunkte zulegen, könnten diese drei auch eine Ampel bilden — weswegen die SPD jetzt schon Liberale wie Grüne mit Komplimenten versieht. Auch eine Mehrheit bekäme eine "schwarze Ampel" zusammen, die "Schwampel" aus Union, Grünen und FDP. Lediglich einer hat allen leicht möglichen atmosphärischen Bereinigungen für ein Bündnis bei der Präsidentenwahl eine Absage erteilt: die Linke. Wenn Rot-Rot-Grün schon an dieser Stelle der gemeinsame Gestaltungswille fehlt, obwohl sie nur vier Stimmen von anderen für eine eigene präsidiale Mehrheit gebraucht hätten, kann man das Projekt getrost ad acta legen.

Dabei geht es allen üblichen Vorurteilen vom angeblichen Format eines "Frühstücksdirektors" oder "Grüßaugusts" zum Trotz beim Bundespräsidenten um wichtige Funktionen. Er ist nämlich mitnichten beschränkt aufs Unterschreiben von Beförderungen und das Halten von Reden. Jedes Gesetz kann er stoppen, wenn es ihm verfassungswidrig erscheint. Und vor allem kann er in der Krise stabilisierend oder destabilisierend wirken, weil er zum Beispiel über Minderheitskanzler oder Bundestagsauflösung entscheidet. Es sieht nicht danach aus, als ginge Deutschland ruhig-sorglosen Zeiten entgegen. Da kommt es auch auf die Persönlichkeit an der Staatsspitze ganz besonders an.

(may-)
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