Diskussion um gemeinsamen Wohnsitz Pretzell und Petry können wohl weitermachen

Düsseldorf · Müssen die AfD-Politiker Marcus Pretzell und Frauke Petry wegen der Landeswahlgesetze um ihre Karriere bangen? Ein entsprechender Medienbericht sorgte am Dienstag für Wirbel - tatsächlich ist die juristische Einschätzung jedoch kaum haltbar. Sie widerspreche dem Grundgesetz, meint eine Expertin.

Frauke Petry und Marcus Pretzell: Wohnsitz-Regelung kein Problem für AfD-Politiker
Foto: dpa, mjh cul gfh

Das ZDF-Magazin "Frontal 21" hatte am Dienstag berichtet, Pretzell und Petry müssten ihren Wohnsitz nach der Hochzeit aus rechtlichen Gründen zusammenlegen. Das wiederum würde die landespolitischen Ambitionen der beiden AfD-Politiker zunichte machen, denn: Wer in einem Bundesland zur Wahl antreten will, muss dort auch gemeldet sein. Pretzell indes hat seinen Wohnsitz in Bochum und will bei den NRW-Wahlen in den Landtag einziehen, Petry wohnt in Sachsen und ist Mitglied des dortigen Landtages. Beide sind seit Ende letzten Jahres miteinander verheiratet.

Nach dieser Logik und der konsequenten Anwendung der Landeswahlgesetze dürfte also entweder Pretzell nicht in NRW kandidieren, oder Petry verlöre ihr Mandat in Sachsen — so das ZDF. In dem Magazin wurde das damit begründet, dass Paragraf 22 des Bundesmeldegesetzes für Ehepaare einen verpflichtenden gemeinsamen Hauptwohnsitz vorsieht.

Nach Ansicht von Heike Merten, Geschäftsführerin des Instituts für Parteienrecht und —forschung an der Uni Düsseldorf, widerspricht eine solche Interpretation jedoch dem Grundgesetz. "Ein zwingender gemeinsamer Wohnsitz von Ehegatten ist mit Artikel 6 nur schwer vereinbar", sagt sie. Darin sind Ehe und Familie besonders vor staatlichen Eingriffen geschützt. Ein Wohnsitz-Zwang sei ein schwerwiegender Eingriff in diese Freiheitsrechte.

Merten: Strichlisten kaum vorstellbar

Bei Wohnsitzen kommt es außerdem auf die tatsächlichen Umstände an. Kann also nicht exakt bestimmt werden, wo ein Einwohner lebt, so gilt die Wohnung als Hauptwohnsitz, wo derjenige sich vorwiegend aufhält. Das ergibt sich ebenfalls aus dem Bundesmeldegesetz. Allerdings, sagt Heike Merten, sei schwer vorstellbar, dass etwa Nachbarn Strichlisten führen müssten, wer sich wie lange an welchem Wohnsitz aufgehalten hat.

Im Ergebnis wird Pretzell mit seinem Bochumer Wohnsitz wohl die AfD in den Landtag führen und Frauke Petry ihr Mandat in Dresden behalten dürfen. Die Stadt Bochum hat die Wählbarkeit von Pretzell bestätigt, der entscheidende Zeitraum dafür ist allerdings drei Monate vor der Wahl. Dann urteilt der Landeswahlausschuss über die Landeslisten der Parteien. Ein Sprecher des Landeswahlleiters NRW sagt: "Wir gehen allen Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten nach."

Indes dürfte es insbesondere nach dem Bericht des ZDF unwahrscheinlich sein, dass Pretzell oder Petry innerhalb der kommenden Monate freiwillig ihren Wohnsitz wechseln - und damit dann tatsächlich ihre landespolitischen Ambitionen riskieren. Zwingen kann sie dazu in Deutschland jedenfalls niemand.

(her)
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