Auftritt in Berlin Friedrich Merz — der Joker für Angela Merkel?

Berlin · Nach langer Politik-Pause tritt der westfälische CDU-Politiker Friedrich Merz in Berlin auf und lobt die Kanzlerin in höchsten Tönen.

 Friedrich Merz hatte sich 2009 aus der Politik zurückgezogen.

Friedrich Merz hatte sich 2009 aus der Politik zurückgezogen.

Foto: dpa

Christian Schmidt (CSU) gehört nicht zu den prominentesten Ministern der Bundesregierung, sein Ressort nicht zu den wichtigsten Behörden der Republik. Doch als der Ernährungsminister am Mittwochabend in der Hauptstadt ein neues Dialog-Format startet, ist der Saal rappelvoll.

Denn Schmidt freut sich, als Premierengast den "lieben Friedrich" begrüßen zu können. Der Name zieht: Friedrich Merz. Immer noch. Selbst nach fast sechs Jahren "Politik-Pause" des Ex-Unions-Fraktionschefs, der seinerzeit Angela Merkel weichen musste. Doch jetzt sieht es danach aus, als könnten die Karten neu gemischt werden.

Im Oktober gab es bereits die ersten Schlagzeilen über ein sich abzeichnendes Comeback des einstigen Hoffnungsträgers. Armin Laschet, NRW-CDU-Chef und Merkel-Stellvertreter an der Spitze der Bundespartei, hatte Merz — sicher nicht gegen den Willen seiner Vorsitzenden — für eine wichtige innerparteiliche Kommission gewonnen.

Er ahnte, dass er damit punkten konnte und beeilte sich, die wirtschaftspolitische Kompetenz von Merz herauszustreichen. In der öffentlichen Wahrnehmung gibt es hier bei der Union tatsächlich ein Vakuum. Wie gemacht für einen wie Merz, der die Politik satt hatte, in eine internationale Anwaltskanzlei einstieg, inzwischen aber den Zeitaufwand dafür wieder reduziert hat.

Er steht immer noch für die "Bierdeckel"-Steuer

Stinksauer soll er gewesen sein, dass sein Mitwirken am innerparteilichen Klärungsprozess der CDU-Werte als Rückkehr in die Politik inszeniert wurde. Doch das Verhältnis zu Parteifreund Laschet hat darunter keinen nachhaltigen Schaden genommen. Er will ihn dem Vernehmen nach bei seinem Landtagswahlkampf 2017 unterstützen — aber nicht als Mitglied irgendeines Kompetenzteams oder Schattenkabinetts. Sein Knowhow gibt er gerne für die Landespolitik. Aber seinen Kopf nicht.

Merz fühlt sich am Abend auf der Bundesebene erkennbar wohler. Er nickt vielen zu und spricht schon in seinen ersten Sätzen von den "vielen Weggefährten", nicht nur aus Berlin, auch aus Bonn und Brüssel. Schmidt hat auch das schon herausgestellt, dass etliche der Erschienenen "unter Dir gewirkt" hätten.

Das ist bezogen auf die Zeiten, in denen Merz als Europapolitiker, dann als Fraktionschef das sicherheitspolitische und wirtschaftspolitische Profil seiner Partei schärfte. Er steht immer noch für die "Bierdeckel"-Steuer, für den populären Ansatz, das Steuersystem zu radikal zu vereinfachen. Lang ist es her. Und seit langem sucht die Union nach einer neuen Größe, die so messerscharf argumentiert wie Merz.

Merz und Merkel haben sich offenbar neu schätzen gelernt

Und der Tempo machen kann. "Wir können auf eine Todesanzeige nicht schreiben: 'Vorübergehend verstorben', wir müssen jetzt handeln", sagt er zur Debatte um das transatlantische Freihandelsabkommen. Der Minister hat es mit dem Hinweis eingeflogen, dass es hier um 800 Millionen Verbraucher gehe. Doch als erstes rückt Merz die Dimensionen zurecht.

Die USA verhandelten zugleich auch an amerikanisch-pazifisch-asiatischen Abkommen, und da gehe es um 2,8 Milliarden Verbraucher. Und dann warnt er vor einer Fehlwahrnehmung der Welt aus europäischer Sicht: In einer Generation stellten die Europäer schon nur noch fünf Prozent der Weltbevölkerung, die Deutschen nur noch 0,7 Prozent.

Wo hat das Publikum diese Mahnung zuletzt gehört? Richtig. Bei der Kanzlerin. Auch Merkel wird nicht müde, wieder und wieder vor einer schwindenden Bedeutung Europas und Deutschlands zu warnen. Deutet das darauf hin, dass die Auseinandersetzungen zwischen Merkel und Merz der Vergangenheit angehören? Diese Annahme wird nicht bestritten. Merz war längst im Kanzleramt, um mit Merkel die Euro-Politik durchzusprechen, hat immer wieder mit ihr den Dialog gefunden. Sie haben sich dabei offenbar neu schätzen gelernt.

Er lobt die Kanzlerin in den höchsten Tönen

Deshalb wird in Berlin über ein Szenario spekuliert, in dem Merz der Joker der Kanzlerin ist: Sollte Finanzminister Wolfgang Schäuble (72) 2016 zu der Einschätzung kommen, kürzer treten zu wollen, stünde Friedrich Merz (59) bereit, in voller Fahrt die Zügel zu übernehmen. Ein Finanzminister Merz wäre nicht nur ein Überraschungscoup, sondern auch ein frisches Angebot für weite Wählerschichten.

Sollte noch jemand Zweifel an der Haltung von Merz gegenüber Merkel gehabt haben, sind die verflogen, nachdem Merz zum Schluss seines Eintauchens in die Bundespolitik die Kanzlerin in höchsten Tönen lobt. "Wenn Angela Merkel klar Nein sagt zu Waffenlieferungen an die Ukraine nötigt das den Amerikanern mehr Respekt ab als würde jemand wie ein Dackel hinterherlaufen." Und dann spricht er die "ständige Präsenz von Angela Merkel" an und verbindet dies mit der Bewertung "Gott sei dank". Lebhafter Applaus.

(may-)
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