Prüfungskommission tagt zu Plagiatsvorwürfen Schavan verpflichtet Uni Düsseldorf zur Verschwiegenheit

Düsseldorf · Im Fall der Plagiatsvorwürfe gegen Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) äußert sich die Uni Düsseldorf derzeit nicht zum Stand des Verfahrens. Anwälte Schavans hätten darauf bestanden, dass ohne die Zustimmung Schavans keine Informationen zum Verfahrensstand gegeben würden, sagte der Rektor der Uni, Michael Piper, am Mittwoch in Düsseldorf nach einer Sitzung des Promotionsausschusses.

Michael Piper, Rektor der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, steht der Presse im Fall Schavan Rede und Antwort.

Michael Piper, Rektor der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, steht der Presse im Fall Schavan Rede und Antwort.

Foto: dapd, Tim Schulz

Piper nannte es zugleich "außerordentlich bedauerlich", dass Teile eines für den zuständigen Promotionsausschuss bestimmten Sachstandsberichts an die Öffentlichkeit gelangt waren, in dem Medienberichten zufolge von einer "leitenden Täuschungsabsicht" der Ministerin die Rede ist. Piper betonte, er drücke in diesem Zusammenhang sein Bedauern aus und enschuldige sich "für die Universität" bei Schavan.

Die Uni hatte nach Bekanntwerden des vertraulichen Sachstandsberichts Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet. Piper sagte, es handele sich um "kriminelles Verhalten eines bislang unbekannten Einzelnen". Die Düsseldorfer Universität werde "alles daran setzen, den Schuldigen in diesem Fall zu finden". Piper betonte, der Sachstandsbericht sei mehrfach mit Stempeln "vertraulich" versehen gewesen und in gedruckter Form ausgegeben worden. Ein Versand per Email habe nicht stattgefunden.

Der laut Piper 75-seitige Sachstandsbericht stammt vom Vorsitzenden der Promotionskommission, Stefan Rohrbacher. Der Judaistik-Professor hatte die Ermittlung des Sachverhalts um Schavans Doktorarbeit kürzlich abgeschlossen. Nach Angaben Pipers stellte Rohrbacher den Bericht am Mittwoch den Mitgliedern der Promotionskommission "in Gänze" vor.

Beratungsende nicht absehbar

In weiteren Schritten könnte Schavan um eine Stellungnahme gebeten werden. Erst danach will die Universität darüber beraten, ob weitere Expertise einzuholen ist. Wann die Kommission ihre Beratungen abschließen wird, ist noch nicht absehbar.

Zuvor hatte Schavan die Plagiatsvorwürfe erneut zurückgewiesen. "Ich werde kämpfen. Das bin ich mir schuldig, und das bin ich der Wissenschaft schuldig", sagte sie nach Angaben ihres Ministeriums am Rande ihres Israel-Besuch in Jerusalem.

SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann sprach sich hingegen wegen der Plagiatsvorwürfe gegen Schavan für deren freiwilliges Ausscheiden aus dem Amt aus. Auch wenn die Entscheidung über ihre Promotion allein bei den zuständigen Gremien der Universität Düsseldorf liege, sei Schavan "als Bildungs- und Forschungsministerin bereits irreparabel beschädigt", sagte Oppermann in Berlin. Die CDU-Politikerin solle sich daher überlegen, ob sie nicht besser "von sich aus zurücktritt und Deutschland diese Debatte erspart".

"Gravierende Fehleinschätzung"

Sie selbst wies die Betrugsvorwürfe erneut entschieden zurück. "Ich werde kämpfen. Das bin ich mir schuldig, und das bin ich der Wissenschaft schuldig", sagte sie am Mittwoch am Rande eines Israel-Besuch in Jerusalem. Zu weiteren Einzelheiten wollte sie sich nicht äußern.

Auch am Mittwoch erfuhr sie Unterstützung aus der Wissenschaft. In einem Gastbeitrag für Zeit.de sprechen zwei von Schavans Zitierweise unmittelbar betroffene Professoren mit Blick auf das kritische Gutachten von einer "gravierenden Fehleinschätzung". Es sei überraschend kühn, wie Prüfer Stefan Rohrbacher "aus der Frequenz und Verteilung von 'Regelwidrigkeiten' Erkenntnisse gewinnt, die einen Rückschluss auf 'leitende Täuschungsabsichten' erlauben."

Manche fordern ein Zweitgutachten

Auch der Präsident der Berliner Humboldt-Universität, Jan-Hendrik Olbertz, übte scharfe Kritik. Das Verfahren bezeichnete er als "in seiner Beiläufigkeit schlicht unsäglich". Es sei anzunehmen, dass der Bericht absichtlich vorab an die Öffentlichkeit lanciert worden sei und somit ein politisches Interesse bestehe. "Gerade, wenn es um die Überprüfung guter wissenschaftlicher Praxis geht, muss aber auch das Verfahren guter wissenschaftlicher Praxis entsprechen", sagte der HU-Präsident der Berliner Morgenpost.

Olbertz forderte die Universität Düsseldorf dazu auf, das Verfahren "im Interesse der Sache und in Anbetracht des bereits entstandenen Schadens" an externe Stellen abzugeben. Möglich sei etwa ein "Gremium unabhängiger Kollegen aus der Wissenschaft" wie zum Beispiel große Forschungseinrichtungen.

Vorbildrolle fraglich

Auch in der Union schart man sich hinter Schavan. CSU-Chef Horst Seehofer fordert Fairness ein. Schavan müsse ausreichend die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden. Er halte die Attacken auf die Ministerin für "äußerst problematisch". Die Plagiatsvorwürfe seien in Medien aufgetaucht, ohne dass sich die CDU-Politikerin vorher dazu einlassen konnte. Nach den Worten ihres Vorsitzenden Volker Kauder steht auch die Unionsfraktion hinter der Ministerin.

Selbst die Opposition wählt bedachte Worte. Sie zielt auf die angeschlagene Reputation der Ministerin ab, ohne sie persönlich anzugreifen. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast etwa sagte dem "Hamburger Abendblatt", Schavan könne ihr Amt angesichts der Vorwürfe "nicht mehr unbelastet ausüben". Politiker müssen wissen, dass sie als Vorbilder betrachtet würden. Das vorab bekannt gewordene Gutachten wecke aber Zweifel an ihrer Legitimation als Ministerin für Bildung und Wissenschaft.

(pst)
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