G20-Gipfel Polizei stellt sich auf weitere Ausschreitungen in Hamburg ein

Berlin/Hamburg · Kurz vor dem Gipfel in Hamburg wächst die Angst vor Gewaltausbrüchen zwischen Polizei und G20-Gegnern. "Wir müssen von einem hohen Gewaltpotential ausgehen", sagt Polizei-Gewerkschafter Oliver Malchow – und fügt hinzu: "Dann ist Deeskalation fehl am Platz."

Kurz vor dem Gipfel in Hamburg wächst die Angst vor Gewaltausbrüchen zwischen Polizei und G20-Gegnern. "Wir müssen von einem hohen Gewaltpotential ausgehen", sagt Polizei-Gewerkschafter Oliver Malchow — und fügt hinzu: "Dann ist Deeskalation fehl am Platz."

Der G20-Gipfel in Hamburg wird einer der größten Polizeieinsätze seit Bestehen der Bundesrepublik. 20.000 Beamte aus mehreren Bundesländern sowie vom Bundeskriminalamt und der Bundespolizei sollen vor und während des Treffens der wichtigsten Staats- und Regierungschefs Sicherheit garantieren. Doch bereits jetzt zeichnet sich ab, dass es dabei nicht immer friedlich zugehen wird.

Auseinandersetzungen in G20-Protestcamp
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Auseinandersetzungen in G20-Protestcamp

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Am späten Dienstagabend setzte die Polizei bereits Wasserwerfer gegen G20-Gegner ein. Gegen 23 Uhr starteten Einsatzkräfte die Räumung einer Straße am Neuen Pferdemarkt im Stadtteil St. Pauli. Hunderte Menschen waren zuvor einem Protestaufruf gefolgt, um auf den Straßen mit Musik und Getränken gegen den Gipfel zu demonstrieren.

Am Dienstag war ein Ultimatum linker G20-Gegner abgelaufen, die ein Ende des Übernachtungsverbots für ein Protestcamp auf der Elbhalbinsel Entenwerder gefordert hatten. Am Sonntagabend waren dort Polizisten und Aktivisten aneinandergeraten, die Beamten entfernten Zelte. Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) gab sich jedoch eisern. "Es kann Protestcamps als Versammlungscamps geben, aber keine Übernachtungscamps", sagte der SPD-Politiker am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin."

Man wisse, dass dahinter "die militante, autonome Szene" stehe. Die habe sich vorgenommen, zum G20-Gipfel "den größten schwarzen Block aller Zeiten zu organisieren. Das wäre eine sehr schwierige Sicherheitslage in der Stadt." Dem Ultimatum erteilte Grote eine Absage. Das Aktionsbündnis hatte gedroht, "Parks, Plätze, Flächen und Knotenpunkte" mit vielen kleinen Camps zu besetzen, wenn die Polizei kein zentrales Zeltlager mit Übernachtungsmöglichkeiten ermöglichen sollte.

Oliver Malchow, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sagte unserer Redaktion dazu: "Wenn sich Camps bilden, besteht immer eine erhöhte Gefahr, dass sich dort militante und gewaltbereite Aktivisten niederlassen, um von dort aus besser gegen die Polizei agieren können." Das habe die Erfahrung vom G7-Gipfel in Heiligendamm gezeigt. "Die Strategie ist vollkommen richtig, solche Camps aufzulösen, sie ist deeskalierend", betonte Malchow. Die Jusos in der SPD erklärten sich hingegen solidarisch mit den Aktivisten. "Wir stellen uns solidarisch an die Seite der Protestierenden im Protest-Camp Entenwerder und fordern die Verantwortlichen auf, das Camp auch für Übernachtungen zu genehmigen und damit das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu wahren", sagte Juso-Chefin Johanna Uekermann. Sie sieht das Recht auf Versammlungsfreiheit in Hamburg derzeit "massiv eingeschränkt". Bis Dienstagabend blieb es trotz des verstrichenen Ultimatums ruhig.

"Willkommen in der Hölle"

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Der Lackmustest für die Polizei wird aber am Donnerstagabend vor dem eigentlichen Gipfel am Freitag und Samstag erfolgen. Für eine internationale, antikapitalistische Demonstration mit dem martialischen Titel "G20: Welcome to Hell" (Willkommen in der Hölle) werden 5000 Teilnehmer erwartet. Sie beginnt am Donnerstag um 16 Uhr am Hamburger Fischmarkt. Unter den Demonstranten sollen zahlreiche gewaltbereite Autonome sein. Die Polizei rechnet mit Ausschreitungen. "Eine Deeskalationsstrategie kann nur da funktionieren, wo beide Seiten das wollen und zulassen. Wir wollen das für alle 30 angemeldeten Demonstrationen", sagte Polizeigewerkschafter Malchow. "Angesichts der Rhetorik linker Aktivisten und Namen wie ,Welcome to Hell' für Veranstaltungen müssen wir aber von einem hohen Gewaltpotential ausgehen. Dann ist Deeskalation fehl am Platz." Der GdP-Chef forderte alle friedlichen Demonstranten auf, sich bei den Veranstaltungen sofort von Militanten zu distanzieren. "Nur dann kann die Polizei gezielt gegen einzelne Störer vorgehen und muss nicht zu massiveren Maßnahmen greifen", sagte Malchow.

Insgesamt rechnet die Polizei für die nächsten Tage mit 8000 gewaltbereiten Linken in Hamburg, die aus mehreren Ländern eingereist sein sollen. Um gewappnet zu sein, haben die Sicherheitsverantwortlichen für ein Großaufgebot gesorgt. Bis zu zwölf Hubschrauber sollen im Einsatz sein, mehr als 200 Polizeihunde und knapp 150 Polizeipferde, 45 Wasserwerfer und insgesamt 3000 Einsatzfahrzeuge, darunter ein gut 500.000 Euro teures Monstrum namens "Survivor", das Angriffen mit Feuerwaffen, Sprengstoff und chemischen Kampfstoffen trotzen soll.

Neben den Demonstrationen — die größte wird am Samstag als letzten Gipfeltag mit voraussichtlich rund 100.000 Teilnehmern sein — müssen die Polizisten aber auch den Veranstaltungsort an den Messehallen schützen. Das ist insofern eine Herausforderung, da diese sich mitten in der Stadt und in unmittelbarer Nähe zum linken Schanzenviertel befinden. Hinzu kommen die gut 100 möglichen Zufahrtsrouten der Staatsgäste sowie eine offizielle Abendveranstaltung am Freitag in der Elbphilharmonie. Auf die Unterstützung der Bundeswehr verzichtete weitgehend das von SPD-Politiker Olaf Scholz regierte Hamburg ganz bewusst.

(jd)
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