Gabriels Operation Abrüstung Erste Bilanz der Rüstungsgüter

Nauen/Berlin · Keine Kampfpanzer und Raketen für Länder wie Saudi-Arabien: Seit einem Jahr versucht Wirtschaftsminister Gabriel die Verbreitung deutscher Waffen in der Welt einzudämmen. Die erste Bilanz fällt zwiespältig aus.

 Saudi-Arabien unter den Top Ten der Empfängerländer? Gabriel Operation Abrüstung zieht erste Bilanz.

Saudi-Arabien unter den Top Ten der Empfängerländer? Gabriel Operation Abrüstung zieht erste Bilanz.

Foto: dpa

Es gibt von Sigmar Gabriel ein zwölf Jahre altes Bild, auf dem er das Kanonenrohr eines "Leopard 2"-Kampfpanzers tätschelt. Damals war er noch Ministerpräsident von Niedersachsen und musste sich als Landesvater auch um die einheimische Rüstungsindustrie kümmern. In diesem Fall ging es um einen Rheinmetall-Standort in Unterlüß bei Celle mit damals 1200 Arbeitsplätzen.

Heute ist Gabriel Wirtschaftsminister, Vizekanzler und SPD-Chef, hält die Exporterfolge von Firmen wie Rheinmetall für eine "Schande" und hat sich zum Ziel gesetzt, die Ausfuhr von schwerem Kriegsgerät wie dem gerade in der arabischen Welt sehr beliebten "Leopard 2" einzudämmen. Friedensengel Gabriel, so sieht er sich selbst gerne.

Jetzt gibt es eine erste Bilanz seiner Operation Abrüstung. In seinem ersten Amtsjahr sind Rüstungsgüter im Wert von 6,5 Milliarden Euro exportiert worden - das sind 22 Prozent weniger als 2013. Seit 2006 war dieser Wert nur einmal noch niedriger und zwar 2010 mit rund 5,5 Milliarden Euro. Wenn man genauer hinschaut, sind aber einige dunkle Flecken in der Bilanz:

Bei Panzern und Artillerie, Raketen und Granaten geht der Trend in die andere Richtung: Es wurden mit einem Volumen von 1,8 Milliarden Euro doppelt so viele Kriegswaffenexporte genehmigt wie 2013. Seit 2002 wurde nur einmal ein höherer Wert erreicht.

Der Anteil der Exporte in sogenannte Drittländer außerhalb von EU und Nato ist mit mehr als 60 Prozent weiterhin hoch. Diese Exporte sind die umstrittensten, weil es teilweise um Länder geht, denen Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden - zum Beispiel Saudi-Arabien und Algerien.

Unter den zehn wichtigsten Empfängerländer finden sich acht Drittstaaten. Aus der Nato sind nur die USA und Großbritannien dabei. Saudi-Arabien ist weiter auf Platz sechs. Gabriel hat für alles eine Erklärung

Verdoppelung der Kriegswaffenausfuhr? Da gehe es auch um Altlasten der schwarz-gelben Vorgängerregierung. "Ich kann leider die Genehmigungen, die die letzte Bundesregierung ausgesprochen hat, nicht mehr rückgängig machen", sagt der SPD-Chef.

Saudi-Arabien unter den Top Ten der Empfängerländer? Inzwischen werde ja zumindest kein Kriegsgerät mehr in das Königreich geschickt, das zuletzt wegen der Verurteilung des islamkritischen Bloggers Raif Badawi zu 1000 Stockschlägen in den Schlagzeilen war.

Gabriel ist gerade bei einer Klausurtagung der SPD-Spitze im brandenburgischen Nauen, als die Rüstungsbilanz öffentlich wird. Auf einem Landgut, das früher der Industriellenfamilie Borsig gehörte, macht sich die Parteiführung seit Sonntag Gedanken über anstehende Projekte. Zu Gast ist Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, in dessen Anwesenheit Gabriel an die Ost- und Entspannungspolitik Willy Brandts erinnert. Die müsse auch heute noch die Richtschnur sein.

Der Parteichef will die SPD auch jenseits der Einschränkung von Rüstungsexporten wieder stärker als Friedenspartei profilieren. Gleich mehrfach macht er in Nauen klar: Waffen an die Ukraine? Mit ihm und der SPD niemals. Es bestehe die Gefahr eines "internationalen Konflikts um die Ukraine".

Zur Schärfung des Parteiprofils eignet sich dieses Thema allerdings nicht. Bei der Ablehnung von Waffenlieferungen sind sich nicht nur die Regierungsparteien unter sich, sondern ausnahmsweise auch Regierung und Opposition einig.

Außerdem spielen die SPD-Granden bei der Krisendiplomatie im Moment nur Nebenrollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Ukraine zur Chefsache gemacht und zusammen mit dem französischen Präsidenten François Hollande eine Friedensinitiative gestartet.

"Ich persönlich finde es mutig, dass die beiden es ohne Netz und doppelten Boden versucht haben", sagt Gabriel in Nauen. Gerade die SPD bekommt sehr viel Rückmeldungen, in denen vor einem zu harten Kurs gegen Russland gewarnt wird. Auch Gabriel meint: "Europa braucht Russland und Russland braucht Europa."

(dpa)
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