Mauerfall Geboren im Herbst 1989

Berlin · Als die Mauer vor 25 Jahren fiel, war Sophie Marek wenige Tage alt. Welche Beziehung hat sie zur DDR? Was passiert, wenn sie ältere Menschen auf die Vergangenheit anspricht? Die junge Frau berichtet.

Es ist der 27. Oktober 1989. Die Mauer steht noch, aber seit Wochen brodelt es in der DDR. Es ist der Tag, an dem Sophie Marek in Berlin-Pankow zur Welt kommt. Mitten in einer Zeit, in der die Menschen für einen besseren Staat auf die Straße gehen. Von dem Umbruch wird die kleine Sophie nichts mitbekommen. Sie gehört zu der ersten Generation, die das SED-Regime nicht mehr erleben wird.

25 Jahre später. Das Krankenhaus in Pankow gibt es immer noch, doch ansonsten ist das Berlin von heute ein ganz anderes. Wo einst Grenzsoldaten die Mauer bewachten, stehen heute Hochhäuser oder neue Wohnblöcke. Sophie Marek studiert Soziologie und lebt in Berlin mitten im Prenzlauer Berg, wo Berliner neben Schwaben wohnen, Sachsen neben Bayern. Die DDR ist dort längst Geschichte.

Die 25-Jährige spricht oft mit ihrer Mutter darüber, lässt sich von ihrer Oma erzählen, wie es damals war in der DDR. Sie erfährt, dass ihre Mutter nie in den Westen reisen durfte. Dass Leute mit gewissen Verbindungen schneller ein Telefon oder ein Auto bekamen. Dass ihre Mutter am Tag des Mauerfalls nicht mit zur Grenze gehen konnte, weil sie erst kurz zuvor mit Sophie aus der Klinik entlassen worden war. "Meine Familie zum Beispiel gehört nicht zu den klassischen Wendeverlierern, bei uns haben alle ihre Arbeitsstelle behalten", sagt Sophie Marek. Nur das Haus in Weißensee, in dem sie aufgewachsen ist, habe die Familie verlassen müssen, weil es jemand aus den alten Bundesländern für einen Spottpreis erworben hatte und mehr als das Doppelte an Miete verlangte. "Aber da haben es andere viel schlimmer getroffen, sagt Mama immer."

Sophie Marek merkt aber auch, dass die meisten Älteren nicht über alles Vergangene sprechen wollen. "Ich weiß zum Beispiel von niemandem aus meinem Bekanntenkreis oder aus meiner Familie, ob er bei der Stasi war", erklärt die 25-Jährige. Über dieses Thema schweigen alle, auch diejenigen, die nichts mit dem SED-Regime zu schaffen hatten. Ihre Mutter etwa habe ihre Stasi-Akte nie anfordern wollen. Das sei alles so lange her, sage sie immer, wenn ihre Tochter sie darauf anspricht. Sophie vermutet, dass dahinter eine gewisse Angst steckt, Freunde, die man heute noch hat, vielleicht in einem anderen Licht zu sehen.

Die Studentin aber will mehr wissen über die deutsche Geschichte. Wenn etwa in ihrem Freundeskreis das Gespräch auf Ost und West kommt, "dann fragen wir uns schon, ob es gewisse Unterschiede gibt". Ihre Freunde kommen fast alle aus dem Osten. Selbst in Berlin hält sie sich lieber in den früheren Ostbezirken auf. Einkaufen auf dem Ku'damm? Für Sophie kein Thema. Hin und wieder mache man schon Witze über die Herkunft des anderen, sie seien allerdings nie böse gemeint. "Letztlich haben wir ja nichts von der DDR mitbekommen." Ihr Freund etwa ist in München geboren. Doch seine Familie kam nach Berlin, als er zwei Jahre alt war. Er frage immer, was er von München erzählen solle? Er kenne es ja nicht.

Sophie kennt nur Gesamtdeutschland - mit strukturellen Unterschieden in Ost und West etwa bei Mieten oder Gehältern. Und sie weiß, dass sich manche ihrer Einstellungen von denen Westdeutscher abhebt. So käme es für sie nie infrage, nur Hausfrau und Mutter zu sein oder ihr Kind nicht in eine Kita zu schicken. "Das gab es im Osten nicht, so bin ich nicht aufgewachsen", sagt sie. Aber das sei keine Frage der Mentalität, sondern der Erziehung. Und darüber sei sie irgendwie mit der DDR verbunden - auch wenn sie in jenem Jahr geboren wurde, als die Mauer fiel.

(RP)
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