60 Jahre Bundesnachrichtendienst Wer zum BND will, hat keine Geheimnisse

Berlin · Mit einem Festakt feiert der BND heute sein 60-jähriges Bestehen. Was viele vergessen: Deutschlands Auslandsnachrichtendienst ist nicht nur eine geheimnisumwitterte Behörde – sondern auch ein großer Arbeitgeber. Wer sich dort bewirbt, darf keine Geheimnisse haben.

 Ohren auf: Gelände der BND-Abhörstation in Bad Aibling

Ohren auf: Gelände der BND-Abhörstation in Bad Aibling

Foto: dpa, kne wst

Mit einem Festakt feiert der BND heute sein 60-jähriges Bestehen. Was viele vergessen: Deutschlands Auslandsnachrichtendienst ist nicht nur eine geheimnisumwitterte Behörde — sondern auch ein großer Arbeitgeber. Wer sich dort bewirbt, darf keine Geheimnisse haben.

Wer beim Bundesnachrichtendienst (BND) anheuern will, weiß vermutlich, worauf er sich einlässt. Er wird auch nicht überrascht sein, schon beim ersten Anruf bei der Behörde mit Sitz in Berlin und Pullach sanft daran erinnert zu werden, wer Herr über die Daten ist. Den meisten Ämtern und Unternehmen, die Telefonate "zu Übungszwecken" aufnehmen, kann man widersprechen. Beim BND erklärt eine automatische Frauenstimme aus dem Hörer, dass Gespräche nicht nur aufgezeichnet werden, sondern die eigene Rufnummer in jedem Fall auch zurückverfolgt werden kann. Unterdrückte Nummer? Eine der leichtesten Übungen für den Geheimdienst.

Dabei möchte sich der Geheimdienst als Arbeitgeber wie jeder andere präsentieren. Davon zeugt nicht nur die vor knapp zwei Jahren medienwirksam inszenierte Transparenzinitiative. Auf der BND-Website finden sich unter dem Reiter mit der Bezeichnung "Karriere" offene Stellen, Bewerbungsbögen und Dokumente, die potenzielle Bewerber über ihre Rechte aufklären. Das haben diese auch nötig, denn der Nachrichtendienst möchte mehr sehen als das letzte Arbeitszeugnis.

Neben dem zweiten Vornamen gehört, wenn vorhanden, auch die frühere Staatsangehörigkeit zu den Pflichtangaben auf dem Bewerbungsformular. Ob man einen Jagdschein hat, möchte der BND ebenso wissen wie die liebsten Hobbys. Und auch beim letzten Feld auf Seite zwei, "Reisen europäisches / außereuropäisches Ausland" bekommt der Interessent das Gefühl, viel falsch machen zu können. Es folgt die Abfrage der bisherigen Arbeitsverhältnisse (inklusive "Grund der Beendigung"), des derzeitigen Bruttogehalts und eventueller Nebentätigkeiten. Wer ausgemustert wurde, muss das bei einer Bewerbung mitteilen. Auch, wann und wie lange er arbeitslos war.

6500 Menschen arbeiten nach Angaben der Behörde beim BND, lediglich ein Drittel davon sind Frauen (2300), 750 Soldaten, die allerdings nicht der Bundeswehr, sondern dem BND unterstehen. Man schätzt, dass die Zahl der geheimen Standorte etwa 100 beträgt. Die Behörde hat im Ausland die Aufgabe, die eigenen Streitkräfte durch Aufklärung, im Inland den Staat vor äußeren Gefahren zu schützen. Wer die Anforderungen an die Bewerber anschaut, erkennt, wo der BND seine Baustellen in der Welt hat.

"Hervorragende gute Sprachkenntnisse" in Farsi oder Arabisch braucht jeder, der sich für einen Job in der "Technischen Aufklärung" bewerben will. Als Arbeitsort wird nur das "Postleitzahlgebiet 53" (um Bonn) angegeben. Zudem sollten sich Bewerber — gesucht werden studierte Sprachwissenschaftler — auf dem Gebiet der "Kryptolinguistik" auskennen, also mit Codes und Geheimsprachen. Englisch- und Französischkenntnisse werden vorausgesetzt.

Auch Informatiker haben Chancen, in die Reihen des Geheimdienstes aufgenommen zu werden. Dazu müssen sie allerdings vorher einen Test absolvieren, der schon das künftige Tätigkeitsfeld vermuten lässt: "Software Reverse Engineering", also das Zerlegen von Programmen in ihre Bestandteile. Dabei gilt es, eine schädliche Software auf ihren Zweck hin zu untersuchen, ein verschlüsseltes Bild wieder sichtbar zu machen und festzustellen, wo der Sender einer kodierten Nachricht im Urlaub war.

Reisen ist ein Stichwort, das bei der Bewerbung immer wieder eine Rolle spielt. Der BND selbst setzt seine Mitarbeiter auch in Krisenregionen ein, sieht es aber nicht gerne, wenn Bewerber Urlaub im Nahen Osten machen: "Die Motorradreise durch den Irak sollten Sie noch vor Ihrer Bewerbung machen. Einige Länder sind tabu", sagte eine Personalerin in einem Interview mit der "Zeit". Wer Kontakte in einen der 29 Staaten hat, die beim BND auf dem Index stehen, hat keine Chancen auf einen Job. Zudem spreche die Behörde im neunmonatigen Aufnahmeverfahren auch mit Freunden und Verwandten.

Auf dem Informationsblatt, dass dem Bewerbungsformular beigelegt ist, heißt es: "Unter ,Reisen' sollten möglichst alle Reisen angeführt werden, welche Sie in Ihrem Leben unternommen haben, unabhängig von Art und Dauer der Reise." Wenige Zeilen später steht, dass am besten auch künftige Urlaubsreisen bekanntgegeben werden, zur besseren "Terminierung des ggf. stattfindenden Vorstellungsgespräches".

Einmal angenommen, dürfen sicherheitsrelevante Mitarbeiter sowieso nur noch reisen, wenn sie einen Antrag gestellt haben — der auch abgelehnt werden kann. Aus dem Gesetzestext geht hervor, dass dadurch vor allem Werbungsversuche anderer Geheimdienste unterbunden werden sollen. Auf der BND-Website heißt es stattdessen, dass Mitarbeiter nur deshalb nicht in die Tabu-Staaten reisen dürfen, weil dort "ihre persönliche Sicherheit nicht gewährleistet ist".

Zu jeder ausgeschriebenen Stelle gibt es die Bitte, Bewerbungen "diskret" zu behandeln — also nicht darüber zu sprechen. Wer im späteren Geheimdienst-Beruf nach seiner Arbeit gefragt wird, sagt meist: öffentliche Verwaltung, obwohl eine Geheimhaltung nicht mehr zwingend gefordert wird. Wer für sicherheitsrelevante Aufgaben vorgesehen ist, muss drei Kontaktpersonen (einschließlich "Beginn der Bekanntschaft") nennen, die die eigene Identität bestätigen können. Als Nachfolgeorganisation eines anti-sowjetischen Geheimdienstes steht es für diesen Fall auch noch immer in den Vorschriften, dass "Kontakte zu (...) Nachrichtendiensten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, die auf einen Anbahnungs- und Werbungsversuch hindeuten können", gemeldet werden müssen.

Aber wem solche Kleinigkeiten schon vor der Bewerbung einfallen, der kann sie natürlich auch einfach eintragen - in das Feld "Zusätzliche Bemerkungen, die ich bezüglich meiner Bewerbung für bedeutsam erachte".

(bur)
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