CSU-Landesgruppenchefin Hasselfeldt "Befürchtungen der NRW-CDU zur Maut sind übertrieben"

Berlin · CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt spricht im Interview mit unserer Redaktion über die umstrittene Pkw-Maut, die Modellauto-Affäre ihrer Parteifreundin Christine Haderthauer und über die Waffenlieferungen in den Irak.

Gerda Hasselfeldt: „Befürchtungen der NRW CDU zur Maut sind übertrieben“
Foto: dpa, Frank Leonhardt

Viele Bayern fremdeln mit Berlin, geht Ihnen das auch so?

Hasselfeldt Nein, die Berliner sind den Bayern in mancher Hinsicht sogar ähnlich. Sie sind wie die Bayern auch sehr offen und direkt.

Was vermissen Sie in der Hauptstadt?

Hasselfeldt In Bayern ist es ruhiger und gemütlicher. Selbst in München ist es nicht so hektisch wie in Berlin. Die Landschaft ist wunderschön und vielfältig. Und die Bayern sind einfach sehr herzlich.

Die Bayern in der Regierung, die CSU, ist seit dem Start der großen Koalition für ihre Verhältnisse ungewöhnlich ruhig. Woran liegt das?

Hasselfeldt Es geht uns nicht um Krawall, sondern um das effiziente Durchsetzen sinnvoller Politik. Lautstärke ist kein Gradmesser für gute Politik. Wir verstehen uns als konstruktiver Partner in dieser Koalition. Das war immer so und diese Linie verfolgen wir weiter. Wir haben durch vehementen Einsatz für unsere Projekte zum Beispiel das Betreuungsgeld, die Mütterrente und die anstehende Gesetzesverschärfung gegen Sozialmissbrauch bei Armutszuwanderung durchgesetzt. Es war die CSU, die den Anstoß für diese wichtige Debatte gegeben hat. In Umfragen erzielt die Union ein genauso gutes Ergebnis wie bei der Bundestagswahl. Das zeigt doch: Die Menschen wissen unsere Arbeit zu schätzen.

Man hat dennoch den Eindruck, dass die CSU nach ihrem schlechten Abschneiden bei der Europawahl im Umbruch ist. Oder ist ihr Parteichef Seehofer ein wenig altersmilde geworden?

Hasselfeldt Wir haben mit Horst Seehofer sehr erfolgreiche Landtags- und Bundestagswahlen hinter uns. Das Europawahlergebnis ist aufgearbeitet. Unsere Bundesminister haben Verantwortung in wichtigen Ressorts. Und an den nach wie vor hohen Zustimmungswerten sehen wir: Die Menschen honorieren es, wenn Politiker mit Argumenten und Entscheidungen ihre Positionen vertreten. Radau ist nicht der Maßstab.

Gegen die Staatsministerin in München Christine Haderthauer wird wegen Betrugs ermitteln. Wie sehr schadet die Modellauto-Affäre der CSU?

Hasselfeldt Die Landesgruppe im Bundestag betrifft diese Angelegenheit nicht. Es beeinträchtigt auch unsere Arbeit in keiner Weise. Die Ermittlungen laufen und die müssen wir abwarten.

Es hat vielfach Rücktrittsforderungen gegen Christine Haderthauer gegeben. Wo liegt die Grenze, an der sie im Amt nicht mehr haltbar sein könnte?

Hasselfeldt Es ist jetzt erst einmal Sache der Staatsanwaltschaft den Fall zu bewerten.

Ist die öffentliche Meinung zu streng geworden in der Frage, welche Fehltritte Politiker sich erlauben können?

Hasselfeldt Es ist nicht neu, dass ein Politiker stärker in der öffentlichen Wahrnehmung steht als andere Bürger, was seine Arbeit und was seine privaten Verhältnisse angeht. Das war früher auch schon so und das weiß man, wenn man in die Politik geht.

Die SPD hat in der Regierung schon den Mindestlohn und die Rente ab 63 durchgesetzt, sieht sich die CSU nun beim Thema Maut ausreichend unterstützt?

Hasselfeldt Wir hören von den Sozialdemokraten, dass sie zu dem stehen, was im Koalitionsvertrag festgehalten ist. Deshalb habe ich keine Veranlassung daran zu zweifeln, dass die SPD das Vorhaben unterstützt.

Wird Verkehrsminister Dobrindt denn einen Gesetzentwurf vorlegen, der alle Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag erfüllt?

Hasselfeldt Da bin ich sehr zuversichtlich, dass er das schaffen wird.

Und wenn die Europäische Kommission wegen rechtlicher Bedenken nicht zustimmt?

Hasselfeldt Der Verkehrsminister ist in enger Abstimmung mit der Europäischen Kommission.

In Nordrhein-Westfalen schießt ihre Schwesterpartei CDU derzeit scharf gegen die Maut, weil sie Ärger mit den Niederlanden und ökonomische Einbußen durch gebremsten Grenzverkehr befürchtet . . .

Hasselfeldt Wir setzen uns mit diesen Argumenten auseinander. Ich halte diese Befürchtungen für übertrieben. Wir Bayern haben eine ähnliche Situation in unseren Grenzgebieten zu Österreich, wo es ja die Vignette gibt, während deutsche Straßen derzeit frei befahrbar sind. Ich habe noch von niemandem gehört, dass er wegen der Vignetten-Pflicht in Österreich nicht dorthin fährt.

Wie wollen sie die CDU in NRW davon überzeugen?

Hasselfeldt Wenn die parlamentarische Sommerpause zu Ende ist, werden wir mit den Kollegen darüber sprechen.

Die Deutschen wollen Waffen in den Irak liefern. Ist es auch denkbar, dass deutsche Soldaten dorthin geschickt werden?

Hasselfeldt Militäreinsätze der Bundeswehr im Irak stehen nicht zur Debatte. Es geht um eine mögliche Lieferung militärischer Ausrüstung und nicht um Entsendung von bewaffneten Soldaten.

Wirtschaftsminister Gabriel will die Rüstungsexporte beschränken. Halten Sie das für richtig?

Hasselfeldt Die aktuellen bewaffneten Konflikte nur wenige Flugstunden von uns entfernt zeigen uns: Wir brauchen auch in Zukunft das Know-how einer modernen wehrtechnischen Industrie in Deutschland. Bei Entscheidungen über Rüstungsexporte muss jeder Einzelfall betrachtet werden. Dabei sollte der Bundessicherheitsrat größtmögliche Transparenz gewährleisten und das Parlament informieren, wie es die Bundesregierung auch tut.

Sprechen Sie sich also grundsätzlich gegen eine Drosselung der Exporte aus?

Hasselfeldt Das Beste wäre es, wenn eine bessere Zusammenarbeit und Abstimmung bei Rüstungsexporten in Europa gelingen würde.

(qua)
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