Politiker gegen Steuerfinanzierung Gesundheitsreform bleibt umstritten

Berlin (rpo). Die Gesundheitsreform ist noch lange nicht unter Dach und Fach und schon hagelt es Kritik von allen Seiten - aus der SPD, der Union und der Wirtschaft. Im Zentrum der Kritik steht die geplante Steuerfinanzierung.

Gesundheitsfonds - was dahinter steckt
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Foto: ddp

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach sich gegen eine Krankenversicherung der Kinder über Steuern aus. "Eine Verknüpfung der Steuerzuschüsse mit der Kinderversicherung wäre nichts anderes als ein gigantisches Familienprogramm für Reiche", sagte er. Auch von Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer (CDU) und dem unternehmernahen Institut der deutschen Wirtschaft kam Kritik. Der Finanzexperte Stefan Homburger nannte die geplante Steuerfinanzierung des Gesundheitswesens "die totale Kapitulation vor dem Problem".

Der Koalitionsausschuss hatte am Sonntagabend vereinbart, dass die gesetzlichen Kassen von 2008 an jährlich rund 16 bis 24 Milliarden Euro aus Steuermitteln zur Finanzierung familienpolitischer Leistungen - unter anderem der Krankenversicherung für Kinder - erhalten sollen.

Lauterbach sagte, Steuerzuschüsse für die Kinderversicherung hätten zur Folge, dass der Staat künftig auch die Kinderversicherung der Privatversicherten übernehmen müsste. Der SPD-Politiker sprach sich stattdessen dafür aus, mit den Steuermilliarden eine dritte Finanzierungssäule für die gesetzliche Krankenversicherung aufzubauen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Böhmer sagte zu der geplanten Steuerumverteilung: "Ich wüsste nicht, woher das Geld kommen soll." Ein Zuschlag auf die Einkommensteuer sei nicht sinnvoll. Die Bundesregierung könne nicht eine Unternehmenssteuerreform machen, die zu Mindereinnahmen von sieben Milliarden Euro führe, und gleichzeitig eine allgemeine Einkommensteuererhöhung für das Gesundheitswesen einleiten, kritisierte Böhmer.

Der Magdeburger Regierungschef hält eine Einigung über die geplante Gesundheitsreform bis Sonntag für unrealistisch. Es übersteige seine Fantasie sich vorzustellen, wie man diesen "Knoten" mit wenigen Gesprächen lösen wolle. "Es sei denn, man klammert einige längerfristige Probleme auf der Einnahmeseite aus", fügte Böhmer hinzu.

Der Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder, warnte die Union vor weit reichenden Steuererhöhungen für die Gesundheitsreform. "Wenn die Systematik lautet: Bei jedem neuen Loch in der Gesundheitskasse drehen wir an der Steuerschraube, machen wir nicht mit", sagte Mißfelder. Für die junge Generation sei Gradmesser, ob die Sozialsysteme demographiefest gemacht würden.

Um 20 Milliarden Euro aus Steuergeldern in das Gesundheitssystem zu pumpen, müsste die Einkommensteuer nach Ansicht des Finanzwissenschaftlers Homburg um "gut ein bis zwei Prozentpunkte" erhöht werden. Dies sei aber nur möglich, wenn man die Unternehmen mit einbeziehe. Die Koalition wolle die Unternehmenssteuern aber senken. Die Vorschläge, mehr Geld ins Gesundheitssystem zu pumpen, nannte der Politikberater "die totale Kapitulation vor dem Problem". "Das zeigt die Unfähigkeit der großen Koalition, Einsparungen vorzunehmen", fügte er hinzu.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warnte nachdrücklich vor einer Steuerfinanzierung des Gesundheitssystems. Eine Steuerfinanzierung koppele den individuellen Beitrag von der durchschnittlichen Versicherungsleistung ab, sagte der IW-Gesundheitsexperte, Jochen Pimpertz. "Die Kostenverantwortung der Versicherten wird weiter verschleiert", kritisierte er.

(afp)
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