"Merkel hängt an Steinbrücks Lippen" Glos rechnet mit Merkel und Steinbrück ab

Berlin (RPO). Bundespräsident Horst Köhler hat den bisherigen CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg zum neuen Bundesminister für Wirtschaft und Technologie ernannt. Unterdessen nutzte sein Vorgänger Michael, Glos, eine Sitzung seiner Landesgruppe für eine Generalabrechung mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD).

Hier ernennt Köhler den neuen Wirtschaftsminister
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In einer Sitzung der Berliner CSU-Landesgruppe warf er der Kanzlerin nach Informationen des "Münchner Merkur" am Montagabend vor, ihn ignoriert und unterschätzt zu haben. "Sie hat immer geglaubt, ich hätte von vielen Dingen keine Ahnung. Stattdessen hängt sie an den Lippen von Finanzminister Steinbrück, der sich jeden Satz aufschreiben lassen muss", sagte Glos dem Bericht zufolge. Glos kündigte an, er werde im Sommer auch das Amt des Bezirksvorsitzenden von Unterfranken abgeben, sein Mandat im Bundestag jedoch behalten.

Köhler vereidigt Guttenberg

Zuvor hatte Bundespräsident Horst Köhler den neuen Wirtschaftsminister vereidigt. Das Staatsoberhaupt überreichte Karl-Theodor zu Guttenberg am Nachmittag im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ernennungsurkunde. Guttenberg wird damit Nachfolger von Glos, den Köhler unmittelbar zuvor aus dem Amt entlassen hatte.

Der 64-Jährige hatte am Samstag überraschend um seine Ablösung gebeten und die CSU damit vorübergehend in Chaos gestürzt. Wegen der Umstände des Rücktritts geriet Parteichef Horst Seehofer inzwischen unter Beschuss auch aus den eigenen Reihen. Mehrere ehemals führende Parteifreunde warfen ihm mangelnde Menschenführung vor, was der neue CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt umgehend zurückwies. "Seehofer hat die Situation mit Bravour gemeistert", meinte Dobrindt im ZDF, räumte aber ein: "Es gibt Leute, die sagen, er hätte da anders handeln können."

Der Parteichef hatte den Rücktritt von Glos zunächst abgelehnt, dann aber doch zugestimmt und am Montag kurzfristig Guttenberg als Nachfolger vorgestellt, den er erst vor drei Monaten zum Generalsekretär ernannt hatte. Der auf Außenpolitik spezialisierte CSU-Politiker wird nun am Donnerstag als jüngster Wirtschaftsminister der Bundesrepublik im Bundestag vereidigt. Schon am Freitag hat er mit einer Rede zur Verabschiedung des zweiten Konjunkturpakets im Parlament seine erste Bewährungsprobe zu bestehen.

"Nicht optimal in der Menschenführung"

Der Personalwechsel löste nicht nur beim politischen Gegner, sondern auch in der Union Unmut aus. Wirtschaftspolitiker der CDU kritisierten Guttenbergs mangelnde Erfahrung, mehrere CSU-Politiker den Führungsstil von Seehofer.

Der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein sagte der "Süddeutschen Zeitung", Glos hätte "mehr Unterstützung von allen Beteiligten verdient". Der ehemalige Staatskanzleichef Eberhard Sinner warf Seehofer vor, er sei "nicht optimal in der Menschenführung". Bayerns Innenministers Joachim Herrmann mahnte, dass die CSU in den Monaten bis zur Wahl "Geschlossenheit und Solidarität zeigen muss - auch die CSU-Spitze".

Der CSU-Wirtschaftsexperte Georg Nüßlein münzte die Kritik auf Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Das, was Michael Glos widerfahren ist, nämlich die fehlende Unterstützung seitens der Union, insbesondere auch seitens der Frau Bundeskanzlerin, ist etwas, was man thematisieren muss", sagte er im rbb-Inforadio.

(AP)
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