Ärger über Alleingang Schmidt will im Glyphosat-Streit die Wogen glätten

Berlin · Am Donnerstagabend treffen sich Merkel, Seehofer und Schulz beim Bundespräsidenten, um die Chancen auf eine neue große Koalition auszuloten. Doch der Alleingang von Agrarminister Christian Schmidt beim Thema Glyphosat hat das Klima schwer belastet.

 Agrarminister Christian Schmidt bei einer Pressekonferenz in Berlin (Archivbild).

Agrarminister Christian Schmidt bei einer Pressekonferenz in Berlin (Archivbild).

Foto: dpa, mkx pat kde fdt

Vor dem Spitzentreffen von Union und SPD bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Agrarminister Christian Schmidt (CSU) versucht, die Aufregung über seinen Glyphosat-Alleingang zu dämpfen. In der "Passauer Neuen Presse" kündigte der CSU-Politiker an, im Streit um die Zulassung des Unkrautgifts auf SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks zuzugehen. Ziel sei es, "gemeinsam Lösungen zu finden, wie wir den Einsatz von Glyphosat in der Zukunft national restriktiver gestalten können", sagte er.

SPD-Chef Martin Schulz hatte den Alleingang von Schmidt, der in Brüssel gegen den Willen der SPD für die weitere EU-Zulassung des umstrittenen Unkrautgifts Glyphosat gestimmt hatte, als schwere Belastung bezeichnet. "Das Verhalten von Bundesminister Schmidt war skandalös und hat zu einem massiven Vertrauensverlust geführt", sagte Schulz.

SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles nannte das Votum einen "schweren Vertrauensbruch", Kanzlerin Angela Merkel (CDU) selbst sieht darin einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung der Bundesregierung.

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel geht fest davon aus, dass Schmidt in einem möglichen neuen Kabinett von Union und SPD keine Rolle mehr spielt. "Für mich ist klar, dass Herr Schmidt seine Zukunft hinter sich hat", sagte der hessische SPD-Landeschef am Donnerstagmorgen im Deutschlandfunk.

Bundespräsident Steinmeier hat Merkel, Schulz und CSU-Chef Horst Seehofer für Donnerstagabend zu einem gemeinsamen Gespräch ins Schloss Bellevue eingeladen. Er will mit den Parteivorsitzenden über die Möglichkeiten einer Regierungsbildung sprechen. Nachdem die SPD zunächst den Gang in die Opposition beschlossen hatte, schließt sie nun eine Koalition mit der Union nicht mehr grundsätzlich aus.

Vor dem Spitzengespräch trifft Steinmeier noch die AfD-Fraktionsspitzen Alexander Gauland und Alice Weidel. Er beendet damit eine Serie von Gesprächen, die er unmittelbar nach dem Scheitern der Sondierungen für eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen begonnen hatte. In einer ungewöhnlichen Ansprache hatte er an die Verantwortung der Parteien appelliert - die diese "nicht einfach an die Wählerinnen und Wähler zurückgeben" könnten.

In der SPD gibt es allerdings große Widerstände gegen eine Neuauflage der großen Koalition. Der neue Juso-Chef Kevin Kühnert fordert Schulz auf, einem Bündnis mit der Union bei dem Treffen eine klare Absage zu erteilen. In der "Neuen Osnabrücker Zeitung" verwies er auf den entsprechenden Beschluss des Parteivorstands. "Allein der Parteitag in der kommenden Woche dürfte einen solchen Beschluss revidieren."

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) mahnte seine Partei dagegen zu Gelassenheit. "Wir brauchen vor nichts Angst zu haben - weder vor einer neuen großen Koalition noch vor einer Minderheitsregierung oder Neuwahlen", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Das letzte Wort habe am Ende ohnehin die Parteibasis. "Und ich bin mir ganz sicher: Wir können unseren Mitgliedern vertrauen."

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wirbt für eine neue große Koalition. Union und SPD hätten das Land in den vergangenen vier Jahren erfolgreich gestaltet, sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion. "Auch wenn eine große Koalition kein Dauerzustand sein sollte, haben die großen Parteien eine besondere Verantwortung für das Land. Wir brauchen eine stabile Regierung."

Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht warf der SPD einen Mangel an Strategie vor. Die SPD habe erst einen großkoalitionären Kuschelwahlkampf gemacht und dann nach der Wahl einer großen Koalition eine Absage erteilt, sagte Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Aber diese Kehrtwende war in keiner Weise verbunden mit einem personellen und inhaltlichen Neuanfang."

Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte die SPD auf, sich gezielt für ein nationales Aus für die Anwendung von Glyphosat stark zu machen. "Es darf jetzt kein politischer Basar eröffnet werden, auf dem die Sozialdemokraten allerlei Ausgleichsforderungen aus anderen Politikfeldern stellen, um die Entscheidung des Landwirtschaftsministers abzugelten", sagte Geschäftsführer Martin Rücker der Deutschen Presse-Agentur. Gehe es der SPD um die Sache, müsse sie ein Glyphosat-Verbot in der Landwirtschaft in einem Koalitionsvertrag verankern, "und zwar ohne Wenn und Aber".

(jco/dpa)
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