Nach den Landtagswahlen Großer Koalitions-Check - wer kann mit wem?

Düsseldorf · Sachsen-Anhalt steuert auf eine schnelle Regierungsbildung zu, in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg ist es komplizierter. Ein Überblick.

 Schwierge Verhandlungen auch in Baden-Württemberg. Wer kann mit wem? Winfried Kretschmann (Grüne) und Guido Wolf (CDU). Im Hintergrund: Jörg Meuthen (AfD).

Schwierge Verhandlungen auch in Baden-Württemberg. Wer kann mit wem? Winfried Kretschmann (Grüne) und Guido Wolf (CDU). Im Hintergrund: Jörg Meuthen (AfD).

Foto: dpa, kno vfd

Die Landtage stehen, die Landesregierungen noch nicht. Die Bürger haben jedenfalls am Wochenende die amtierenden Regierungen in Stuttgart, Mainz und Magdeburg allesamt abgewählt. Nun beginnen die Sondierungen, es folgen die Verhandlungen. Ein vertiefter Blick auf die Koalitionsmöglichkeiten und ihre Chancen.

Großer Koalitions-Check - wer kann mit wem?
Foto: C. Schnettler

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte eine Fortsetzung der großen Koalition angestrebt. Das Anwachsen der AfD zur zweitstärksten Kraft hat das verhindert. Wegen der schwachen SPD (10,6) kommt auch das von Linken-Spitzenkandidat Wulf Gallert geplante rot-rot-grüne Bündnis nicht zum Tragen.

Rechnerisch würde es reichen, wenn die Grünen in die große Koalition mit eintreten. Auch ein Bündnis aus CDU und Linken hätte eine Mehrheit. Denkbar wäre auch, wenn sich die große Koalition abwechselnd von der Linken und der AfD tolerieren ließe.

Haseloff will eine stabile "Regierung der Mitte". Das spricht für die Schwarz-Rot-Grün-Variante, die nach den Flaggenfarben Kamerun- oder Afghanistan-Koalition genannt wird. Bereits gestern gingen die Gesprächseinladungen an SPD und Grüne raus. Da in Sachsen-Anhalt alle anderen Parteien vom 24,2-Prozent-Ergebnis der AfD schockiert sind, finden sich die drei leicht zusammen, zumal Rot-Grün und auch Schwarz-Grün bereits verlässlich getestete Optionen sind. Die Dreier-Kombo wäre ein Novum.

Letzteres würde am schnellsten gehen, Haseloff könnte schnell weiter regieren.

Die Fortsetzung der grün-roten Koalition ist durch den Absturz der SPD auf 12,7 Prozent nicht mehr möglich. Baden-Württemberg ist auch das zweite Land, in dem es selbst für eine große Koalition nicht mehr reicht. Auch Schwarz-Gelb liegt weit von früheren Mehrheiten entfernt.

Die umgedrehte Ampel mit Grün oben und rot in der Mitte zusammen mit der FDP hätte eine Mehrheit. Die größte Koalition wäre die aus Grünen und CDU, aber auch für die "Deutschland"-Koalition (schwarz-rot-gelb) würde es reichen.

Die verdrehte Ampel hat nach Einschätzung von FDP-Chef Christian Lindner keine logische Grundlage, da Grünen-Regierungschef Winfried Kretschmann den von der FDP eingeforderten Politikwechsel abgelehnt habe. Die CDU als Juniorpartner der Grünen hatte CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf vor der Wahl vehement abgelehnt, jetzt will er aber auch darüber reden. CDU-Landeschef Thomas Strobl, der im Mitgliederentscheid gegen Wolf verlor, kann sich Grün-Schwarz durchaus vorstellen. Die Union erinnert sich jedoch auch an ihre eigenen Warnungen an die SPD, bloß nicht kleiner Partner einer kleinen Partei zu werden, weil das einen selbst noch kleiner mache. Somit liebäugeln vor allem CDU und FDP mit der "Deutschland-Koalition", die der CDU den Posten des Ministerpräsidenten zurückbrächte, die SPD von der Schwindsucht unter den Grünen befreien würde und die FDP erstmals wieder in Regierungsverantwortung trüge.

Lange doppelgleisige Verhandlungen, mal unter Grünen-, mal unter CDU-Führung. Dann kommt es im Zweifel auf die SPD-Mitglieder an, ob sie in der Urabstimmung gegen ihre eigene Politik in den letzten grün-roten Jahren einen Neuanfang wirklich wollen, und zwar eingekeilt zwischen CDU und FDP. Wenn nein, dann müsste die CDU Verantwortung übernehmen und die Kröte der Juniorpartnerschaft unter den Grünen schlucken - wenn sie deutlich mehr raushandelt als seinerzeit die SPD. Kalkül: Für Kretschmann ist es die letzte Amtszeit, und wenn die Grünen dann in Nachfolgequerelen stecken, ist die CDU schon in der Regierung.

Die Fortsetzung von Rot-Grün. Auch für Schwarz-Gelb oder Schwarz-Grün, für ein Jamaika-Bündnis oder für ein Wiederaufleben einer sozialliberalen Koalition reicht es nicht.

Zweimal beinahe "Klassisches": Die große Koalition unter SPD-Führung hätte eine gewaltige Mehrheit im Landtag. Auch die typische Ampel aus SPD, FDP und Grünen hätte eine Mehrheit.

Koalitionen hängen immer auch vom Vertrauen der Hauptakteure ab. Nach der vergeigten Wahl muss sich CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner zwar ohnehin neu erfinden und sich entscheiden, ob sie sich etwa Rat von Christian Wulff holt: Der hatte auch nach zwei Niederlagen nicht aufgegeben und es dann beim dritten Mal in Niedersachsen doch noch geschafft. Also steht zunächst die Entscheidung, ob sie weiter macht. Dazu wird sie von vielen CDU-Granden gedrängt, die sich um den Zusammenhalt des vor Klöckner zerstrittenen Landesverbandes sorgen. Dann aber spricht schon ihr Wahlkampf gegen ein Bündnis mit Malu Dreyer. Es wäre ein langer Weg, um aus Konkurrentinnen Partnerinnen zu machen. Als Partei- und Fraktionschefin könnte Klöckner sogleich wieder in die Vollen gehen und eine neue Koalition permanent auf ihre Sollbruchstellen testen. Auf der anderen Seite sind in Rheinland-Pfalz die FDP und Grünen nicht so verfeindet wie in anderen Bundesländern. Gemeinsame Regierungsjahre von SPD und FDP stehen mental bei beiden auf der Haben-Seite. Dreyer könnte also genügend Ansatzpunkte finden, um dieses Bündnis zu schmieden.

Eine Verlängerung rot-grüner Politik mit der FDP als Steigbügelhalter ist das Allerletzte, was FDP-Chef Lindner für seinen eigenen NRW-Wahlkampf im Frühjahr 2017 braucht. Doch will er sich auch aus dem Automatismus schwarz-gelber Bündnisse befreien. In Rheinland-Pfalz hat die FDP zudem den Vorteil, nicht als Kleinster am Rand, sondern als zweitgrößter Partner in der Mitte zu stehen.

(RP)
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