Berlin Grüne wollen Regierung mit Armenien-Resolution vorführen

Berlin · Die Fraktion bringt eine gemeinsame Erklärung zum Völkermord ein. Union und SPD sind mit Rücksicht auf die Türkei ausgeschert.

Das war der Grünen-Parteitag 2015 in Halle an der Saale
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Foto: dpa, pen lof

Für die Bundesregierung soll es nach dem Wunsch der Grünen im Bundestag unangenehm werden: Die kleinere Oppositionspartei bringt nämlich einen unveränderten Antrag zur Abstimmung, den sie schon vor Monaten mit den Regierungsfraktionen Union und SPD abgestimmt hatte. In der gemeinsam ausformulierten Resolution hatten alle drei Fraktionen den Völkermord der Türkei an den Armeniern vor 100 Jahren in strenger Form verurteilen wollen.

Doch Union und SPD haben ihre Unterstützung für diesen gemeinsamen Antrag zwischenzeitlich zurückgezogen - offenkundig, um die laufenden Verhandlungen mit der türkischen Regierung über deren Hilfe in der Flüchtlingskrise nicht zu gefährden. Die Grünen halten dies für eine überzogene und falsche Rücksichtnahme auf die umstrittene Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan - und wollen die Koalition mit ihrem Antrag nun zwingen, gegen die von ihr selbst mitformulierte Resolution zu stimmen.

"Ein gemeinsamer grün-rot-schwarzer Antragsentwurf wurde zum Bauernopfer in der Flüchtlingskrise", sagte Grünen-Chef Cem Özdemir. "Aus falscher Rücksichtnahme auf Ankara stoppten die Fraktionsspitzen der Koalition einen gemeinsamen interfraktionellen Antrag, den wir auf Fachebene bereits fertig ausgehandelt hatten." Ohne Frage brauche Deutschland die Türkei als wichtigstes Transitland und Schutzort von 2,5 Millionen Menschen aus Syrien, um die Herausforderungen in der Flüchtlingspolitik zu bewältigen. "Den Völkermord an den Armeniern in der Flüchtlingsfrage als Pfand zu nehmen, ist aber fehlgeleitete Politik", sagte Özdemir.

Die deutsche Mitverantwortung am Völkermord und die akute Bedrohung religiöser Minderheiten in der Region machten ein gemeinsames würdiges Gedenken heute wichtiger denn je. Auch in der Türkei würden Christen "heute wieder diskriminiert". So solle jetzt die letzte Kirche im westtürkischen Bursa bis Freitag geräumt werden. "Wo bleibt bei solchen Nachrichten der Aufschrei der Partei mit dem hohen C?", fragte der Grünen-Politiker. "Wir wissen, dass es viele Abgeordnete in der Koalition gibt, die die Haltung ihrer Fraktionsspitze nicht teilen", sagte Özdemir.

SPD-Außenexperte Niels Annen bedauerte es, "dass die Grünen ein so wichtiges Thema wie Armenien jetzt taktisch einsetzen, um die Türkei-Politik der Bundesregierung zu kritisieren". Ganz offensichtlich gehe es der Opposition bei der Terminierung nicht um eine ernsthafte Debatte über Armenien.

Unions-Außenpolitiker Jürgen Hardt verwies darauf, dass der Bundestag im April 2015 zum Thema Völkermord "die Wahrheit unzweideutig gesagt" habe. Ein zusätzlicher Antrag könne zwar der "Verschriftlichung" dienen, würde derzeit jedoch das eigentliche Ziel verfehlen, zu einer sachlichen Aufarbeitung in der Türkei beizutragen. Hardt befürchtet, dass jene Kreise, die die deutsch-türkische Annäherung kritisch sehen, einen solchen Bundestagsbeschluss "zum antitürkischen Signal hochstilisieren" und den Deutschland-freundlichen Kräften in der Türkei die Arbeit "unnötig erschweren".

(mar / may-)
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