Debatte um Israel-Gedicht Günter Grass behält seinen Nobelpreis

Günter Grass darf trotz des Wirbels um sein Israel-kritisches Gedicht den Literaturnobelpreis behalten. Die Schwedische Akademie sieht keinen Anlass, Grass den 1999 verliehenen Preis abzuerkennen. Das erklärte der Sekretär der Akademie, Peter Englund, am Dienstag. Derweil schwelt die Debatte um einen Einsatz von Grass im SPD-Wahlkampf.

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Foto: afp, bb

Grass habe den Preis ausschließlich wegen seiner literarischen Verdienste erhalten, betonte Englund in einem Beitrag, den er am Dienstag in seinem Blog veröffentlichte. In Israel war gefordert worden, über eine Aberkennung des Preises nachzudenken.

In Deutschland warnten führende SPD-Politiker vor Schnellschüssen, nachdem einige Sozialdemokraten sich gegen einen eventuell möglichen Einsatz von Grass im SPD-Bundestagswahlkampf 2013 ausgesprochen hatten. "Ich halte nichts davon, dass die SPD nun gewissermaßen wie der Staat Israel Günter Grass zur Persona non grata erklärt", sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) am Dienstag im Deutschlandfunk. Er warnte davor, Grass zum Antisemiten zu erklären.

In dem Gedicht "Was gesagt werden muss" hatte Grass geschrieben, die Atommacht Israel bedrohe den Weltfrieden und könne das iranische Volk mit einem Erstschlag auslöschen. Israels Innenminister Eli Jischai von der strengreligiösen Schas-Partei verhängte daraufhin ein Einreiseverbot gegen den Autor. Grass selbst will sich dazu derzeit nicht äußern, wie sein Sekretariat am Dienstag mitteilte.

Aus der Bundes-SPD hieß es, eine Debatte über Wahlkampfauftritte 2013 sei derzeit viel zu früh. Zugleich wird das Gedicht von vielen Sozialdemokraten als daneben und missverständlich beurteilt. Der 84-Jährige setzt sich seit 1961 für die SPD ein, 1969 machte er in einer mehrmonatigen Tour mit einem VW-Bus Stimmung für einen Kanzler Willy Brandt. In den letzten Jahren hatte sich sein Einsatz auf vereinzelte Auftritte im Bundestagswahlkampf beschränkt.

Niebel hält Einreiseverbot für nachvollziehbar

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) nannte das von Israel verhängte Einreiseverbot für Grass nachvollziehbar. "Israel hat jedes Recht der Welt, ehemalige SS-Leute nicht ins eigene Land zu lassen", sagte Niebel der "Leipziger Volkszeitung" (Mittwoch) mit Blick auf die Mitgliedschaft des Schriftstellers in der Waffen-SS während seiner Jugend. Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Rainer Stinner, nannte den Schritt in der "Süddeutschen Zeitung" hingegen eine "Überreaktion der israelischen Regierung".

Auch zu seiner Zukunft als SPD-Wahlkämpfer will sich Grass vorerst nicht äußern. Für den Landtagswahlkampf in Schleswig-Holstein, wo am 6. Mai ein neuer Landtag gewählt wird, spielt der Wirbel um das Gedicht keine Rolle. Grass werde nicht als Wahlkampfhelfer der SPD auftreten - das sei aber auch schon vor dem Streit klar gewesen, sagte SPD-Sprecher Amin Hamadmad in Kiel. "Wir hatten Herrn Grass für eine Veranstaltung zur Kulturpolitik angefragt, aber er hatte keine Zeit."

Bundestagsvizepräsident Thierse sagte: "Man soll mit ihm in der Sache streiten, seine Urteile kritisieren, aber ihn nicht als Person diskreditieren." Grass vorzeitigen Ausschluss aus dem SPD-Wahlkampf halte er "nicht für sonderlich sinnvoll". Zudem sei völlig offen, ob der Schriftsteller überhaupt erneut Wahlkampf für die SPD machen wolle. "Er hat nie alle Positionen der SPD vertreten, sondern war ihr in kritischer Solidarität verbunden." Thierse fügte hinzu: "Wenn man Günter Grass wegen dieser einseitigen kritischen Position zum Antisemiten macht, dann ist das fatal."

(dpa)
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