Rassismus und die FDP Hahn tritt eine Lawine los

Die FDP beweist in diesen Tagen ein unfreiwilliges Gespür für aufsehenerregende Themen. Erst tritt Rainer Brüderle eine Sexismus-Debatte los, nun folgt Jörg-Uwe Hahn und seine Bemerkung über das asiatische Aussehen von Parteichef Philipp Rösler. Sein Satz offenbart vor allem eins: Mit Rassismus hat die FDP schon länger zu kämpfen.

2012: Wirtschaftsminister Rösler reist in sein Geburtsland
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Die Resonanz seines Interviews mit der Frankfurter Neuen Presse (FNP) hat Jörg-Uwe Hahn vermutlich selbst am meisten überrascht. Im lockeren Gespräch mit den Redakteuren ging es nur ganz am Rande um Rösler und dessen Aussehen. Wenige Stunden danach findet sich die liberale Partei mitten in einer hässlichen Rassismus-Debatte wieder. Mitten im Fadenkreuz steht Jörg-Uwe Hahn. Die Opposition wirft ihm vor, sich eine stillose, eine rassistische Entgleisung geleistet zu haben. Und das als Integrationsminister.

Auslöser ist ein einziger Satz: "Bei Philipp Rösler würde ich allerdings gerne wissen, ob unsere Gesellschaft schon so weit ist, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren." Rösler war in Vietnam geboren und im Alter von neun Monaten vom deutschen Ehepaar Rösler adoptiert worden. Mit dem Land seiner Herkunft verbindet ihn bis auf seine Herkunft nichts mehr. Als er Vietnam im vergangenen Jahr zum ersten Mal in seinem Leben besuchte, wirkte er dort wie ein Fremdkörper.

"Wie ein Skandal gemacht wird"

Aus Sicht der Chefredaktion der Frankfurter Neuen Presse gibt es für die Aufregung um Hahns vermeintlich rassistisch unterlegte Äußerung keinen Grund. "Wie ein Skandal gemacht wird", so betitelt Chefredakteur Rainer M. Gefeller den Text, den er am Freitag veröffentlicht. Nach seiner Auffassung hat Hahn sich unglücklich ausgedrückt. Einen rassistischen Zungenschlag habe die Redakteursrunde nicht wahrgenommen, sondern als Hinweis darauf, "dass die deutsche Gesellschaft heute hoffentlich so weit sei, auch Menschen nicht-deutscher Herkunft in politische Verantwortung zu wählen."

Dann aber entwickelte der Satz eine Eigendynamik wie sie typisch geworden ist für digitale Zeiten. Die Empörungsmaschinerie war in Gang gesetzt, als andere Medien den Satz aufgriffen und aus dem ursprünglichen Kontext rissen. "Andere wollten das Interview anders verstehen", schreibt Gefeller und verweist auf die Webseite des hessischen Rundfunks. Der habe am Donnerstagvormittag den Anfang gemacht. Plötzlich hieß es: Hahn hinterfragt Rösler-Akzeptanz. Rücktrittsforderungen und Rassismusvorwürfe waren die wohl unvermeidliche Folge.

Wer sich die entscheidende Passage des Interviews im Original anschaut, kommt freilich zu einem anderen Eindruck.

FNP Wie soll die Zugkraft der Partei aber entstehen, wenn es mit Brüderle als Spitzenkandidaten und Rösler als Vorsitzenden zwei Personen gibt, die sich nicht sonderlich verstehen?

Hahn Indem sie sich zusammenraufen und das gemeinsam machen.

FNP Ist die Debatte um Rösler beendet?

Hahn Ja. Wir werden sicherlich noch eine kleine Personaldebatte bekommen über die Frage der Besetzung des FDP-Präsidiums auf Bundesebene auf dem Sonderparteitag Anfang März. Also, ob Herr Niebel und Herr Kubicki etwa noch mal eine Rolle spielen. Bei Philipp Rösler würde ich allerdings gerne wissen, ob unsere Gesellschaft schon so weit ist, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren.

Anschließend geht es ohne weitere Nachfrage um das Thema Fluglärm.

Hahn sprach also über Stimmungen in der Öffentlichkeit. Wenige Fragen vorher drehte sich das Gespräch noch um Rainer Brüderle und Sexismus. Besondere Achtsamkeit hat er dabei freilich nicht walten lassen. Interviews von Politikern mit Journalisten werden in der Regel noch einmal von Medienberatern gegengelesen und eigens autorisiert. Ein Satz, der den Verbleib eines umstrittenen Vorsitzenden unnötig mit dessen asiatischer Herkunft in Verbindung setzt, hätte bei anderen vermutlich nicht den Weg an die Öffentlichkeit gefunden.

Ihn aber wegen dieses Interviews als Rassisten zu schmähen, entbehrt jeglicher belastbaren Grundlage.

Rösler stellt sich hinter Hahn

Entsprechend deutlich fallen am Freitag die Aussagen aus der FDP-Spitze aus, Philipp Rösler vorneweg. "Jörg-Uwe Hahn ist über jeden Verdacht des Rassismus erhaben", erklärte FDP-Chef in Berlin. Mit Jörg-Uwe Hahn verbinde ihn seit vielen Jahren eine persönliche Freundschaft. Die Aufregung über das Interview könne er nicht verstehen.

Außer aus seiner Partei bekam Hahn auch von Ausländerbeiräten Rückendeckung. "Er ist nicht rassistisch eingestellt", sagte der Vorsitzende der hessischen Ausländerbeiräte, Corrado Di Benedetto, der Nachrichtenagentur dpa. Im Gegenteil: "Ich sehe die Äußerungen des Integrationsministers unmissverständlich positiv." Di Benedetto sagte weiter: "Unsere Gesellschaft ist wohl noch nicht so weit, dass man es als selbstverständlich ansieht, dass Menschen mit Migrationshintergrund Führungspositionen besetzen."

Eine offene Wunde

Alles also nur ein großes Missverständnis? Bei weitem nicht.

Denn Hahn hat vermutlich ohne es zu wollen, den Finger in eine offene Wunde gelegt. "Ich habe darauf hinweisen wollen, dass es in unserer Gesellschaft einen weit verbreiteten, oft unterschwelligen Rassismus gibt", erläuterte er später seine Äußerung mehr notgedrungen als überzeugend.

Doch dass die FDP ein Problem mit Rassismus im hat, belegten tags darauf die Hinweise von anderen liberalen Politikern. Erstmals wurde offen ausgesprochen, dass rassistische Vorbehalte gegenüber Rösler keine Seltenheit sind, etwa am Rande von Wahlkampfveranstaltungen.

"Der Chinese müsste weg"

"Ich bekomme am Wahlkampfstand in der Fußgängerzone zu hören: Ich würde Euch ja wählen, aber dafür müsste erst einmal der Chinese weg", berichtete etwa der Chef der Jungen Liberalen (JuLi), Lasse Becker, der "Passauer Neuen Presse" (Freitag). Hahns Wortwahl sei missverständlich gewesen. "Es ist aber notwendig, diese Debatte zu führen", sagte Becker.

Thüringens FDP-Generalsekretär Patrick Kurth schilderte ähnliche Erlebnisse. "Als FDP-Mitglied erlebe ich häufig offene oder versteckte rassistische Äußerungen mit Blick auf Rösler. Dabei könne wir stolz auf unser Land sein, in dem es möglich ist, dass ein Opfer des Vietnam-Krieges es bis in die Regierungsspitze schaffen kann", sagte Kurth der "Mitteldeutschen Zeitung".

Bambus und Eiche

Folglich lag der Grünen-Politiker Al-Wazir mit seiner Einschätzung gar nicht so falsch, als er fragte, ob denn Röslers vietnamesische Herkunft nicht ein Teil seines Akzeptanzproblems in der FDP sein könnte?
Der Hinweis erinnert nicht von ungefähr daran, dass Röslers Herkunft auch im öffentlich ausgetragenen Machtkampf schon mehrfach eine Rolle spielte.

So hatte etwa Fraktionschef Rainer Brüderle im Mai 2012 für Aufsehen gesorgt, als er auf einem Parteitag sagte: "Glaubwürdigkeit gewinnt man, indem man nicht wie Bambusrohre hin und her schwingt, sondern steht wie eine Eiche." Das mit seiner Herkunft spielende Bild des Bambus hatte freilich Rösler selbst bei seiner Antrittsrede als Parteichef in die Welt gesetzt. Damals sagte der frisch gekürte FDP-Chef: "Der Bambus wiegt sich im Wind und biegt sich im Sturm, aber er bricht nicht."

(pst)
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