Bürgerschaftswahl in Hamburg Männliche Merkel: Olaf Scholz degradiert die CDU

Meinung | Berlin/Hamburg · Die SPD kann nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg die Faust recken, die CDU muss eine historische Schlappe einräumen. Eva Quadbeck kommentiert das Wahlergebnis aus der Hansestadt.

2015: Hamburg wählt eine neue Bürgerschaft
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2015: Hamburg wählt Scholz und die SPD

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Foto: dpa, soe

So stark die CDU auch auf Bundesebene ist, das Wahldebakel von Hamburg trifft die ganze Partei. Es belegt die eklatante Schwäche der Christdemokraten in den Ländern im Allgemeinen und in den Großstädten im Besonderen. In Hamburg funktioniert das Prinzip Merkel - nur umgekehrt: Mit Olaf Scholz verfügt die SPD über einen unideologischen und moderaten Politik-Manager, der fünf Jahre lang gezeigt hat, dass er Hamburg in ruhigem Fahrwasser halten kann. So wie viele Wähler parteiübergreifend auf Bundesebene der Kanzlerin vertrauen, geben sie in Hamburg ihre Stimmen dem Ersten Bürgermeister Scholz. Der frühere Bundesarbeitsminister hat sich in Hamburg den Status einer männlichen Merkel erarbeitet. Er bekommt mittlerweile auch die gleichlautende Kritik, wonach er keine Visionen für die Stadt habe und reagiert darauf ähnlich spröde wie Merkel bei solchen Anwürfen: Er regiere lieber ordentlich.

Die CDU in Hamburg ist auf verlorenem Posten: Wie schwer es für eine Partei ist, sich in einer solchen Situation am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, ist an der SPD auf Bundesebene seit Jahren zu besichtigen. Die Union hat aber nicht nur ein Problem in den Städten, sondern hat in der Regierungsära Merkel Bundesland um Bundesland verloren. Wenn es der CDU nicht gelingen sollte, sich in den Ländern zurück an die Macht zu kämpfen, besteht die Gefahr, dass sie nach einem Abtreten Merkels auf ein ähnliches Niveau abrutscht wie die SPD heute.

Für die SPD ist Hamburg mit dem erneut überlegenen Sieg von Scholz ein heller Schein in den übrigen düsteren Umfragewerten. Zwar sitzen die Sozialdemokraten wieder in den meisten Ländern und in zahlreichen Großstädten auf den Stühlen der Regierungschefs, dennoch fehlt es ihnen an starken Leuten. Scholz ist der einzige Landesfürst, der regelmäßig auch bundesweit konzeptionell auffällt — beispielsweise als Chefunterhändler in der Frage der Bund-Länder-Finanzen. Er hat deutlich gemacht, dass er in Hamburg bleiben will und keine Ambitionen auf eine erneute Karriere im Bund hegt. Seine Absage war aber nicht so endgültig wie die von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Ab heute ist er in der Frage, wer der nächste Kanzlerkandidat der SPD wird, als Alternative zu Parteichef Sigmar Gabriel im Rennen.

Der Sprung der AfD über die Fünf-Prozent-Hürde belegt wiederum, dass man mit dieser Partei bei der nächsten Bundestagswahl rechnen sollte. Zwar ist die Pegida-Bewegung, die ohnehin nur im Osten wirklich stark war, geschmolzen wie Eis in der Sonne. Und im Westen lassen sich unzufriedene Bürger nicht ganz so leicht einsammeln. Umso bemerkenswerter ist der Einzug der AfD. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Hamburger schon einmal die Finger an der Schill-Partei und an der Statt-Partei verbrannt haben, hätte man meinen sollen, sie wünschten nicht erneut Populisten in ihrer Bürgerschaft.

Die Liberalen konnten in Hamburg zeigen, dass es sie noch gibt. Einmal abgesehen von den albernen Fotos der Hamburger Spitzenkandidatin als "Engel für Lindner" hat die FDP einen ordentlichen Wahlkampf hingelegt und bekommt zu Recht die Chance auf Rekonvaleszenz. Der Wahlsieg war im Kampf um die eigene Existenz äußerst wichtig. Parteichef Christian Lindner richtete auch gleich Blick nach vorne und warb schlau für eine sozialliberalen Koalition in Hamburg. Die ist zwar unwahrscheinlich, doch allein das Werben dafür dürfte der FDP in ihrer aktuellen Phase nutzen.

(qua)
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