Urteil aus Karlsruhe Handel mit Anti-Nazi-Symbolen nicht strafbar

Karlsruhe (RPO). Die Verwendung durchgestrichener Hakenkreuze ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht strafbar, wenn die Distanzierung zum Nationalsozialismus eindeutig ist.

Damit sprachen die Richter einen linksgerichteten Versandhändler frei. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) geht davon aus, dass anhängige Strafverfahren gegen die Nutzer von Anti-Nazi-Symbolen jetzt schnell eingestellt werden. (AZ: 3 StR 486/06)

Zypries zufolge sind vom Gesetzgeber nun keine weiteren Klarstellungen gefordert: "Wir haben jetzt eine höchstrichterliche Entscheidung, die die erforderliche Differenzierung vornimmt." Sie erwarte, "dass sich alle Untergerichte, wie es ja auch ansonsten üblich ist, nach dieser höchstrichterlichen Entscheidung richten", sagte die Ministerin im Bayerischen Rundfunk.

Der nun in letzter Instanz frei gesprochene Jürgen Kamm war in einem Aufsehen erregenden Urteil vom Landgericht Stuttgart wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole zu einer Geldstrafe von 3600 Euro verurteilt worden. Der Versandhändler hatte für die Punker-Szene Anstecker, Aufkleber und T-Shirts verkauft. Auf ihnen war unter anderem ein Hakenkreuz abgebildet, das von einem Stiefel zertreten wird.

Der BGH schränkte nun für alle unteren Instanzen die Auslegung des Paragrafen 86a verbindlich ein, der das Verwenden verfassungsfeindlicher Kennzeichen bestraft. Nach dem Urteil bleibt der Gebrauch solch eines Kennzeichens straflos, "wenn bereits der Inhalt der Darstellung in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft" zu rechtsextremistischen Organisationen und "die Bekämpfung ihrer Ideologie" zum Ausdruck bringe. Der BGH wies zudem Befürchtungen der Stuttgarter Richter zurück, dass Neonazis die Lockerung des Verbots ausnutzen und ihrerseits abgeänderte Kennzeichen verwenden könnten. Rechtsgerichtete würden die abgewandelten Kennzeichen vielmehr als Verhöhnung ihrer "heiligen" Symbole empfinden, betonten die Karlsruher Richter.

Grünen-Chefin Claudia Roth begrüßte es, dass der BGH eine "Justiz-Farce" beendet habe. Dies sei "ein gutes Signal gegen das Wegschauen und eine Motivation für das offensive Eintreten gegen den Rechtsextremismus". Der SPD-Bundestagsabgeordnete Niels Annen bezeichnete das Urteil als eine Niederlage für die Stuttgarter Staatsanwaltschaft "auf der ganzen Linie". Es sei zugleich eine Ermutigung für die Bürger, sich weiterhin "aktiv und öffentlich gegen Rechtsextremismus zu engagieren", sagte Annen der "Netzzeitung". Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, erklärte, mit dem Urteil sei klargestellt, "dass der friedliche Protest von Bürgerinnen und Bürgern gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus mit verfremdeten Nazi-Symbolen keine strafbare Handlung darstellt".

Nach Ansicht des Rechtsexperten der Linksfraktion im Bundestag, Wolfgang Neskovic, hatte das Stuttgarter Urteil den "wünschenswerten antifaschistischen Protest" zu einer Zeit kriminalisiert, in der rechtsextreme Gruppen immer mehr Zulauf hätten und neonazistische Gewalttaten zunähmen. Der BGH habe dieses Urteil nun "auf den Müllhaufen verfehlter juristischer Argumentation" geworfen.

Der Vorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, Werner Pfennig, erklärte, das Urteil sei nicht nur eine Ermutigung für alle, die den Neonazis entgegentreten, sondern auch ein "Sieg für den gesunden Menschenverstand".

(ap)
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