Bittere Analyse nach dem Absturz Hans-Dietrich Genscher rechnet mit FDP-Spitze ab

Berlin · FDP-Ikone Hans-Dietrich Genscher lässt nach dem Desaster bei der Bundestagswahl kein gutes Haar an der scheidenden FDP-Spitze. Dem gescheiterten Vorsitzenden Philipp Rösler wirft er indirekt emotionale Kälte vor. Einem anderen Mitglied der Liberalen legt er den Austritt aus der Partei nahe.

Genscher - ein Lebenslauf in Daten
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Foto: ddp

Genscher rechnete im "Spiegel" mit den bisherigen Führungsleuten der FDP ab: "Handelnde Personen hatten nicht das Vertrauen der Wähler." Die Wahlniederlage sei "nicht unverschuldet" gewesen, sagte der Ehrenvorsitzende. "Es kam, wie es kommen musste." Es genüge nicht, aus der Opposition heraus ein gutes Wahlergebnis zu erzielen. "Man muss dann in der Regierung seine Vorstellungen auch durchsetzen. Das wurde nicht geschafft." Die Zweitstimmenkampagne kurz vor der Wahl sei zudem "unwürdig" gewesen.

Manche Äußerungen seien den Menschen "zu kalt" erschienen, sagte Genscher mit Blick auf die Äußerung von Parteichef Philipp Rösler über eine "Anschlussverwendung" der von der Pleite der Schlecker-Märkte betroffenen Frauen. In einer Zeit existenzieller Herausforderungen müssten Politiker Einfühlungsvermögen und Verständnis zeigen. Mit Blick auf die Aufgaben Lindners sagte er, diese seien zu bewältigen. "Aber es wird sehr schwer, wir sind in einer sehr ernsten Lage."

Schäffler kann gehen

Genscher legte zudem dem Euro-Kritiker Frank Schäffler den Austritt aus der FDP nahe: "Die FDP steht für Europa und den Euro. Wer das nicht akzeptiert, sollte sich fragen, ob er bei uns noch richtig ist."

Auch andere FDP-Politiker warnten davor, europaskeptische Töne in der Partei zuzulassen. Wenn die FDP ihre Bedeutung zurückgewinnen wolle, dürfe sie sich nicht politisch in der Nähe der Euro-kritischen AfD ansiedeln, sagte die scheidende Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Es wäre falsch für die FDP, eine AfD light zu spielen", mahnte sie.

Solms vor dem Comeback

Hermann Otto Solms soll indes offenbar wieder das Amt des Bundesschatzmeisters der FDP übernehmen. Der designierte Parteichef Christian Lindner wolle die Rückkehr des 72-Jährigen in die FDP-Spitze, die im Dezember gewählt wird, berichtet der "Focus" in seiner neuen Ausgabe. Der FDP-Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher ging derweil hart mit der alten Parteiführung ins Gericht und gab ihr die Schuld an der Wahlniederlage.

Solms war bereits von 1987 bis 1999 und von 2004 bis 2011 liberaler Kassenwart. Der gut vernetzte Hesse sei der einzige, der die Liberalen in ihrer tiefen Krise mit seinen Kontakten zu Spendern und Sponsoren finanziell über Wasser halten könnte, berichtete der "Focus" unter Berufung auf Parteikreise. Der bisherige Schatzmeister Otto Fricke muss derzeit als Parlamentarischer Geschäftsführer die FDP-Bundestagsfraktion abwickeln.

Lindner hatte Solms laut "Wirtschaftswoche" den Posten bereits am Wahlabend angetragen, nachdem er selbst seine Kandidatur für den Parteivorsitz angekündigt hatte. Solms soll sich demnach noch nicht entschieden haben.

Die FDP war bei der Bundestagswahl auf 4,8 Prozent abgerutscht und ist erstmals nicht mehr im Parlament vertreten. Die Liberalen stehen daher vor erheblichen finanziellen Schwierigkeiten - die staatliche Parteienfinanzierung sinkt und auch die Spenden dürften zurückgehen.

(AFP)
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