Druck auf Minister im Fall Edathy wächst Hans-Peter Friedrich: Trete erst bei Ermittlungsverfahren zurück

Berlin · Der wegen umstrittener Informationsweitergabe im Fall Edathy unter Druck geratene Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will vorerst im Amt bleiben – auch wenn der Druck auf ihn wächst.

Das ist Hans-Peter Friedrich
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Der wegen umstrittener Informationsweitergabe im Fall Edathy unter Druck geratene Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will vorerst im Amt bleiben — auch wenn der Druck auf ihn wächst.

Friedrich erklärte am Freitag: "Sollte die Staatsanwaltschaft zu anderen Ergebnissen kommen und ein Ermittlungsverfahren aufnehmen, werde ich mein Amt zur Verfügung stellen." Der Minister betonte: "Ich habe damals im Oktober mit der Information an den SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Ich war davon überzeugt, dass ich politisch wie rechtlich richtig gehandelt habe."

Friedrich hatte Gabriel als damaliger Bundesinnenminister darüber informiert, dass der Name des SPD-Abgeordneten Edathy bei internationalen Ermittlungen zum Thema Kinderpornografie aufgetaucht sei. Die Opposition hält Friedrich vor, damit Dienstgeheimnisse gebrochen zu haben.

Angaben aus der SPD-Spitze widersprach Friedrich. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hatte am Donnerstag erklärt, der CSU-Politiker habe SPD-Chef Sigmar Gabriel im vergangenen Oktober informiert, dass es im Fall Edathy nicht um strafbare Inhalte gehe, allerdings "werde es möglicherweise zu strafrechtlichen Ermittlungen kommen". Friedrichs Sprecher, Jens Teschke, wies das am Freitag zurück: "Wir widersprechen diesem Satz in der Oppermannschen Erklärung." Friedrich habe lediglich gesagt, dass es in dem Fall nicht um strafbare Inhalte gehe.

Merkel hatte "intensives Gespräch" mit Friedrich

Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe an diesem Freitag "ein intensives Gespräch" mit Friedrich geführt. Die von Friedrich abgegebene Erklärung spreche für sich und dafür, "dass dem Minister die Dimension des Falls bewusst ist". Merkel habe am Dienstag aus den Medien vom Fall Edathy erfahren, fügte Seibert hinzu.

Seibert ging nicht direkt auf Nachfragen ein, ob Friedrich weiter das Vertrauen und die Rückendeckung der Kanzlerin habe. In dem Telefonat habe Friedrich gesagt, dass er über Ermittlungen in Zusammenhang mit dem SPD-Politiker Sebastian Edathy "kein Mitglied der damaligen Bundesregierung" informiert habe, sondern im Oktober 2013 nur SPD-Chef Sigmar Gabriel. Der Regierungssprecher betonte: "Die rechtliche Bewertung ist Aufgabe der Behörden."

Rücktrittsforderungen aus Opposition

In der Affäre wurden die Rücktrittsforderungen gegen den Bundesminister lauter. Nach FDP und Linken fordern nun auch Politiker der Grünen dessen Rücktritt. Die CSU-Spitze kam derweil zu einem Krisengespräch zusammen.

"Ein Bundesminister, der Dienstgeheimnisse verrät, ist nicht tragbar. Wenn er nicht zurücktritt, muss die Bundeskanzlerin ihn entlassen", sagte FDP-Chef Christian Lindner. Auch Linksparteichef Bernd Riexinger sagte der "Mitteldeutschen Zeitung": "Er ist politisch als Mitglied der Bundesregierung nicht mehr tragbar." Die Grünen verlangten Aufklärung im Bundestag.

Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, inzwischen Landwirtschaftsminister, und die SPD-Spitze müssen sich gegen Vorwürfe wehren, im Fall Edathy die Arbeit der Ermittler behindert zu haben. Friedrich hatte bereits im Oktober 2013 SPD-Chef Sigmar Gabriel darüber informiert, dass der Name des SPD-Abgeordneten bei internationalen Ermittlungen aufgetaucht sei.

Nach jetziger Kenntnis soll es sich möglicherweise um Kinderpornografie gehandelt haben. Gabriel wiederum weihte weitere Spitzengenossen ein, darunter den heutigen SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.

Junge Liberale für Untersuchungsausschuss

Die Jungen Liberalen forderten am Donnerstag die Einrichtung eines Bundestags-Untersuchungsausschusses. Auch Linke-Chef Riexinger sagte der "Mitteldeutschen Zeitung": "Wenn die offenen Fragen nicht schnell und plausibel beantwortet werden, wird das Parlament alle ihm zur Verfügung stehenden Aufklärungsinstrumente zu nutzen wissen." Die Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, forderte in den "Kieler Nachrichten": "Hans-Peter Friedrich muss klipp und klar erklären, wer wann was wusste."

Ihre Parteikollegin Renate Künast sprach in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" von einem "Stück aus dem Tollhaus". Die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic sagte der "Hamburger Morgenpost" zur Rolle Friedrichs: "Dies ist ein ungeheuerlicher Verdacht, der ihn auch in seinem neuen Amt kaum noch haltbar macht."

Friedrich habe offensichtlich Geheimnisse ausgeplaudert, sagte Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann in Berlin. "Das ist ein schwerwiegender Vorgang, der mit dem Amt eines Bundesministers nicht vereinbar ist. Friedrich muss zurücktreten." Geprüft werden müsse, auf welche Rechtsgrundlage er sich stützte. "Auch die Bundeskanzlerin ist gefordert, sich selbst zum Fall Friedrich zu äußern." Friedrich hatte als Bundesinnenminister im Oktober SPD-Chef Sigmar Gabriel über das Auftauchen von Edathys Namen bei Ermittlungen informiert.

Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagte, Friedrich habe sein Amt "für parteitaktische Kumpanei benutzt, dieses Verhalten ist für ein Mitglied der Bundesregierung völlig inakzeptabel". Kanzlerin Angela Merkel (CDU) "darf nicht weiter abtauchen, sondern muss sich der Regierungskrise stellen", forderte Kellner. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Thomas Oppermann müssten aufklären, "durch wen Edathy vorgewarnt wurde".

Nach 15 Jahren Mandat niedergelegt

Der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart sagte der "Welt": "Die Informationen hätten im Innenministerium bleiben müssen." Er teile daher die Kritik der Staatsanwaltschaft. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, geht hingegen davon aus, dass Gabriel und Oppermann "mit den Informationen des Bundeskriminalamts verantwortungsvoll umgegangen sind". "Alles andere sind Verschwörungstheorien", sagte er der "Passauer Neuen Presse".

Edathy hatte am vergangenen Freitag nach über 15 Jahren im Bundestag sein Mandat niedergelegt und dafür gesundheitliche Gründe genannt. In einer Erklärung betonte der 44-Jährige: "Die öffentliche Behauptung, ich befände mich im Besitz kinderpornografischer Schriften bzw. hätte mir diese verschafft, ist unwahr." Ein strafbares Verhalten liege nicht vor, erklärte Edathy. Er warf der Staatsanwaltschaft Hannover vor, die Razzien seien unverhältnismäßig gewesen.

Krisentreffen bei der CSU

CSU-Chef Horst Seehofer ist derweil am Freitagmorgen in Berlin zu Beratungen mit Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt zusammengekommen. Nach dpa-Informationen könnte auch Agrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dazu geladen werden. Dem Vernehmen geht es um die Weitergabe von Informationen in seiner damaligen Funktion als Bundesinnenminister im Fall Sebastian Edathy (SPD). Das Treffen habe um neun Uhr begonnen, die Situation wurde als sehr kritisch eingestuft — auch personelle Konsequenzen noch am Freitag wurden nicht ausgeschlossen.

Der Fall Edathy und die umstrittene Weitergabe von Informationen kommt in der kommenden Woche auch im Innenausschuss des Bundestages auf den Tisch.
Auf Wunsch der Grünen-Fraktion ist das Thema für die Sitzung am Mittwoch auf die Tagesordnung gerückt, wie die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic am Freitag ankündigte.

Eingeladen seien dazu auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke.
"Wir wollen wissen, wann genau welche Information an wen weitergegeben wurde, und wer davon wusste", sagte Mihalic. Außerdem gehe es um die Einschätzung des aktuellen Innenministers zur Weitergabe der Informationen.

(dpa)
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