Übergriffe auf Flüchtlingsheime Immer wieder Sachsen

Dresden · Freital, Dresden, Heidenau - die Liste der Gewaltexzesse vor sächsischen Flüchtlingsunterkünften wird immer länger. Am Wochenende randalierte der rechte Mob sogar zwei Nächte in Folge. Für die Opposition ist der Fall klar: Für die Gewalt ist die Landesregierung mitverantwortlich.

Heidenau: Der Hass konzentriert sich auf Sachsen
Foto: dpa, oki skh

Es sind schlachtähnliche Szenen, die sich am Wochenende vor einem Notquartier für Flüchtlinge im sächsischen Heidenau abspielen. Zwei Nächte in Folge randalieren Rechtsradikale vor der in einem ehemaligen Baumarkt eingerichteten Asylunterkunft. Polizisten werden mit Flaschen, Steinen und Feuerwerkskörpern angegriffen, es gibt Verletzte. Die Opposition macht für diese Gewaltspirale die CDU-geführte Landesregierung mitverantwortlich und wirft ihr vor, Rechtsextremismus in Sachsen kleinzureden.

In Freital machen Rechtsextreme und selbsternannte "Bürgerwehren" seit Monaten Stimmung gegen eine Asylunterkunft. Im Juni eskaliert die Lage, wiederholt werden Pro-Asyl-Demonstranten attackiert. In Dresden werden im Juli während einer NPD-Demonstration gegen eine Flüchtlings-Zeltstadt Gegendemonstranten und DRK-Helfer angegriffen.

In Heidenau versuchen zunächst hunderte Menschen, die Zufahrt zur Flüchtlingsunterkunft zu blockieren. Anschließend richtet sich die Gewalt vor allem gegen Polizisten. Nach den Worten eines Polizeisprecher handelte es sich um eine "offensichtlich organisierte massive Attacke".

Warum bekommen der Freistaat die Lage nicht in den Griff? Vor allem Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) wirkt überfordert. Wieder einmal reagiert Ulbig erst relativ spät. Der erneute Gewaltexzess in Heidenau sei "empörend und nicht hinnehmbar", teilt er schließlich Sonntagvormittag via Facebook mit.

Seit Monaten steht Ulbig wegen der Asylpolitik der Landesregierung und des Umgangs mit der antiislamischen Pegida-Bewegung in der Kritik. Die Opposition wirft ihm eine Verharmlosung von Pegida vor. Die habe "Rassismus salonfähig gemacht", sagt Sachsens Grünen-Chef Jürgen Kasek. Auch die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, sieht Heidenau als "direkte Folge der falsch verstandenen Toleranz" gegenüber Pegida.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) äußert sich am Sonntag erschüttert über die Gewaltexzesse in Heidenau. "Das ist Menschenhass mit erschreckender Gewalt gegen Polizisten und gegen Flüchtlinge, die bei uns Schutz suchen - das ist nicht unser Sachsen", erklärt Tillich. Er kündigt ein hartes Vorgehen an. Für die Opposition nicht mehr als warme Worte. Die Landesregierung müsse Rassismus "konsequent in Wort und Tat ächten", fordert die Linken-Politikerin Juliane Nagel.

Polizei geht gegen Störer am Flüchtlingsheim Heidenau vor
11 Bilder

Polizei geht gegen Störer am Flüchtlingsheim Heidenau vor

11 Bilder

Heidenau gehört wie auch Freital zum Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, der als Hochburg der Rechtsextremen gilt. Laut Verfassungsschutzbericht hat die NPD, die zehn Jahre lang im Landtag saß, hier "ein relativ stabiles Wählerpotenzial". Bei den Stadt- und Gemeinderatswahlen im Mai 2014 holt die NPD in der Region 17 Mandate und bei der Europawahl den bundesweit höchsten Stimmenanteil. Bei der Landtagswahl vor einem Jahr kommen die Rechtsextremen im Landkreis auf das landesweit höchste Ergebnis.

In der Region Sächsische Schweiz gebe es "eine bestens vernetzte, gewaltbereite Neonazi-Szene", erklärt Volkmar Zschocke, Fraktionschef der Grünen im Landtag. Mit so wenigen Beamten wie in Heidenau könne die Polizei "den Nazis nicht Paroli bieten". Die politische Verantwortung dafür sieht Zschocke bei Ulbig. "Einen Innenminister, der bei der Erstaufnahme der Asylbewerber und offensichtlich auch bei der Führung der Polizei versagt, kann sich Sachsen nicht länger leisten."

Während der Druck auf Ulbig wächst, fühlen sich die Kommunen einmal mehr mit dem Rücken zur Wand. Wie andere Kommunalpolitiker beklagt auch Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) die "relativ kurzfristigen" Informationen bei der Flüchtlingsaufnahme, was kaum Zeit zur Einbindung der Bürger lasse und Eskalationen womöglich begünstige.

Ungeachtet der rechtsextremen Ausschreitungen haben inzwischen mehr als 200 Flüchtlinge die Notunterkunft in der Stadt bezogen - bis zu 600 sollen es noch werden.

(AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort