Sigmar Gabriel in Heidenau "Das ist Pack, was sich hier rumgetrieben hat"

Heidenau · Nach den rechtsradikalen Protesten vor einer Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau hat Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hat ein entschlossenes Vorgehen von Politik und Gesellschaft angemahnt. Und dabei deutliche Worte gefunden.

Sigmar Gabriel besucht Heidenau
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"Bei uns zuhause würde man sagen, das ist Pack, was sich hier rumgetrieben hat", sagte der SPD-Chef am Montag in der sächsischen Kleinstadt. Zuvor hatte er sich etwa eine halbe Stunde die Unterkunft in einem ehemaligen Baumarkt in der sächsischen Kleinstadt bei Dresden angeschaut und mit Flüchtlingen gesprochen. Der Rechtsstaat müsse die Täter, die Polizisten angegriffen und Flüchtlinge bedroht hätten, rasch ermitteln: "Für die gibt's nur eine Antwort: Polizei, Staatsanwaltschaft und nach Möglichkeit für jeden, den wir da erwischen, das Gefängnis." Zugleich sei aber auch die ganze Gesellschaft gefragt, weil die Rechtsextremen sich für die Vertreter des "wahren Deutschlands" hielten: "In Wahrheit sind es die undeutschesten Typen, die ich mir vorstellen kann", meinte der Wirtschaftsminister.

"Man darf diesen Typen, die sich hier in den letzten Tagen ausgebreitet haben, keinen Millimeter Raum geben", sagte der SPD-Chef weiter. Vor einem Gespräch mit dem Heidenauer Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) lobte Gabriel diesen für die klaren Worte nach den gewalttätigen und fremdenfeindlichen Aktionen: "Ich finde, man muss Herrn Opitz den Rücken stärken. Er zeigt eine Menge Mut und Courage." Anschließend wollte sich Gabriel die Notunterkunft in einem ehemaligen Baumarkt ansehen.

Opitz, der Gabriel eingeladen hatte, betonte, die Besuche von Politikern seien für ihn kein "Tourismus", sondern wichtige Hilfe im Kampf gegen die "Chaoten": "Ein Bürgermeister steht am Ende der Fresskette, und ist auf jede Unterstützung von oben angewiesen." Heidenau sei anders als die jüngsten Bilder vermittelt hätten. Neonazis gebe es "in jedem Ort".

Nun hofft CDU-Kommunalpolitiker Opitz, dass auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bald in Heidenau vorbeikommt: "Ich hoffe, (...) spätestens übermorgen die Frau Merkel hier begrüßen zu können", meinte Opitz. Am Sonntag waren bereits Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und mehrere Landesminister in Heidenau.

Merkel: Abstoßend und beschämend

Merkel selbst hat derweil die rassistischen Ausschreitungen in Heidenau mit scharfen Worten verurteilt. Die Regierungschefin ließ ihren Sprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin erklären: "Es ist abstoßend, wie Rechtsextreme und Neonazis versuchen, rund um eine Flüchtlingseinrichtung ihre dumpfe Hassbotschaft zu verbreiten. Und es ist beschämend, wie Bürger, sogar Familien mit Kindern, durch ihr Mitlaufen diesen Spuk unterstützen." Es gebe keinerlei Rechtfertigung für Gewalt.

Seibert sagte: "Deutschland lässt nicht zu, dass Flüchtlinge, über deren schwierige Lebenssituation jeder durchaus einmal nachdenken sollte, von hasserfüllten Parolen empfangen werden oder von alkoholisierten Schreihälsen bedrohten werden."

Die Zunahme an rechten Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte bereite der Regierung Sorgen, betonte Seibert. Von rechtem Terror wollte er aber nicht sprechen. "Ich hielte das für eine - was jetzt die Ereignisse in Heidenau betrifft - viel zu weitgehende Aussage auf das ganze Land hoch gerechnet", entgegnete der Regierungssprecher auf eine entsprechende Frage. "Das ist nicht das Bild, das in ganz Deutschland herrscht, im Gegenteil."

Auf die Frage, wann Merkel eine Flüchtlingsunterkunft besuchen werde, sagte Seibert, sie werde dies "zu gegebenem Zeitpunkt" tun. Von Linken, Grünen und auch von der SPD kam zuletzt deutliche Kritik, Merkel positioniere sich nicht deutlich genug gegen Angriffe auf Asylbewerber.

(dpa)
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