Festakt zum 80. Geburtstag Helmut Kohl blickt zurück

Ludwigshafen (RP). Obwohl er durch eine Sprachstörung sehr eingeschränkt ist, fand Helmut Kohl beim Festakt zu seinem 80. Geburtstag bewegende Worte. Sein Leben habe Sinn gehabt, resümierte der Altkanzler.

Mai 2010: 800 Gäste feiern Helmut Kohl
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Ludwigshafen, die nüchterne Industriestadt am Rhein, ist keine Schönheit. Am Mittwoch jedoch blickte ganz Deutschland auf diese Stadt, in deren Stadtteil Oggersheim seit Jahr und Tag ein weltberühmter Bürger wohnt: Bundeskanzler a.D., Ministerpräsident a.D. Helmut Kohl.

Da dessen Lebenskreis seit zwei Jahren krankheitsbedingt sehr eingeschränkt ist, kam die gesamte Staatsspitze, um ihn zu ehren. Kohl war am 3. April 80 Jahre alt geworden. Ein Festakt in Berlin war für den geschwächten Rollstuhlfahrer zu beschwerlich. So hatten Bundesregierung, rheinland-pfälzische Landesregierung sowie die Stadt Ludwigshafen zum Nachfeiern in Kohls Heimatstadt eingeladen.

Als der Jubilar sprach, wurde es andächtig still unter den 800 geladenen Gästen. Am Anfang klang seine Stimme kräftig, schnell jedoch stellte sich eine Brüchigkeit in der Artikulation ein, die einer altersbedingten Sprachstörung geschuldet ist. So viel aber verstand dann doch jeder im Auditorium: Hier blickte ein großer Alter mit Stolz und Dankbarkeit auf sein Leben. Ein Leben, das "Sinn gemacht hat", sagte Kohl, in dem es "der liebe Gott in der Summe gut mit mir gemeint hat".

Alle versammelt im Ludwigshafener Pfalzbau

Die protokollarische Dimension des Aufmarsches entsprach der Lebensleistung des "Kanzlers der Einheit" und "Ehrenbürgers Europas": Bundespräsident Horst Köhler, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler und Außenminister Guido Westerwelle — alle versammelt im Ludwigshafener Pfalzbau.

Das Bundeskriminalamt hatte Sicherheitsstufe 1 festgesetzt, penible Einlasskontrollen inbegriffen. Zur Staatsspitze gesellten sich Spitzenmanager, Kardinäle, Bischöfe, evangelische Landesbischöfe, ehemalige europäische Staats- und Regierungschefs (Romano Prodi, Italien, Wolfgang Schüssel, Österreich, Wilfried Martens, Belgien). Gekrönte Häupter waren auch dabei, hat doch der wichtigste Mann des Festaktes seit eh und je ein Faible für den Wein seiner pfälzischen Heimat und ein Herz für dessen charmante Repräsentantinnen: die Weinköniginnen.

Bundespräsident a.D. lobt Altkanzler

Als Laudator hatte sich der Altkanzler den Bundespräsidenten a.D. Roman Herzog gewünscht. Mit Geist, Humor und Fairness zeichnete Herzog, den der Geehrte "meinen alten Freund" nannte, nach, was den Menschen und Staatsmann Helmut Kohl ausmacht: Verlässlichkeit, eine schier unmenschlich erscheinende Geduld, die Fähigkeit, den richtigen Moment des Handelns abwarten zu können.

Herzog vermied krasse Lobhudelei, erwähnte sogar den Verstoß Kohls gegen das Parteigesetz. Zugleich warb das ehemalige Staatsoberhaupt darum, die Dimensionen richtig einzuschätzen: "Er hat einmal das Parteigesetz nicht erfüllt, aber er hat den Wiedervereinigungs-Auftrag des Grundgesetzes erfüllt." Da brandete Beifall auf, der sich kräftig wiederholte, als der Laudator vor einem ethischen Rigorismus warnte, der von Politikern erwarte, hundertprozentige Vorbilder für alles und jedes zu sein.

Das Orchester hatte zum Auftakt den ersten Satz aus Beethovens "Siebter" gespielt, ein weniger heroisch, dafür beschwingt und heiter klingendes Stück großer deutscher Musikgeschichte. Es passte zu dem immer wieder zu hörenden Grundton, der die Reden von Herzog, aber auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel und des Mainzer Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) durchzog: Kohl habe als deutscher Kanzler ein Vertrauenskapital bei ausländischen Staatsleuten angehäuft, ein Kapital an Vertrauen, das erst das Wunder der deutschen Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit ermöglicht habe.

"Aber nur mit zeitlicher Befristung"

Beck, der "Soz", wie Kohl früher gefrozzelt hätte, fand herzliche, persönlich gefärbte Worte für den jungen rheinland-pfälzischen Reformer, dessen Weinkeller in der Staatskanzlei nahezu unverändert fortbestehe und gute Dienste tue. Merkel erinnerte an ihr früheres Leben im Osten: "Ohne Ihre historische Leistung wäre das Leben von Millionen Menschen, die wie ich in der DDR gelebt haben, völlig anders verlaufen."

Merkel beschrieb den fürsorglichen Kanzler, dem sie nie vergessen werde, wie er sich 1990 ständig nach ihr, der jungen Frauenministerin erkundigte, nachdem sie einen schweren Beinbruch erlitten hatte. Die Kanzlerin, die auch CDU-Vorsitzende ist, hätte wohl am liebsten Herzogs süffisante Bemerkung über die Union überhört. Kohl, so der Bundespräsident a.D., habe die seinerzeit fast verschlissen wirkende Union in den siebziger Jahren zu einer modernen Partei umgeformt.

Er setzte hinzu: "aber nur mit zeitlicher Befristung, wie ich jetzt als einfaches Mitglied feststellen muss".

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