Altkanzler im Talk bei Beckmann Helmut Schmidt: Politiker fast alle Dilettanten

Hamburg (RPO). Gewohnt gelassen und souverän rauchte sich Helmut Schmidt bei "Beckmann" durch den späten Montagstalk. Im Plauderton stellte er dabei den amtierenden Politikern im Zusammenhang mit der globalen Finanzkrise ein vernichtendes Zeugnis aus.

Helmut Schmidt - Seine Zitate und Sprüche
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Die Sprüche von "Schmidt-Schnauze"

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Den G-8-Gipfel hält er angesichts der Finanzkrise und den Veränderungen der Weltwirtschaft für überholt. "Er hat an Bedeutung weitgehend verloren. Ohne China, ohne Indien, ohne den Mittleren Osten, ohne die Opec, ohne Saudi Arabien oder ohne Brasilien die Weltwirtschaft steuern zu wollen ist ein ziemlich naive Illusion. Das kann gar nicht funktionieren", analysierte der 89-Jährige am Montagabend in der ARD-Talksendung "Beckmann".

Schmidt attackierte bei "Beckmann" die personelle Besetzung der G8-Gipfel und wünscht sich verstärkte internationale Regeln in der Weltwirtschaft. "Ich bin ganz sicher, dass heutzutage nicht die Staats- und Regierungschefs in der Lage sind, die notwendigen Korrekturen zu beschließen." Er würde aus den von ihm genannten zwölf oder fünfzehn Staaten die Finanzminister und die Zentralbankchefs zusammen holen. "Das heißt: die Fachleute. Die Politiker sind auf diesem Felde fast alle Dilettanten. Der größte Dilettant sitzt in Washington", sagte Schmidt.

90. Geburtstag im kleinen Kreis

Schmidt äußerte sich auch zu persönlich-privaten Themen. Dabei verriet er, dass es anlässlich seines 90. Geburtstags am 23. Dezember keine große Feier geben wird. Außerdem sprach er über sein Verhältnis zur Macht.

Zu seinem 90. Geburtstag werde er wie jedes Jahr für "drei alte Freunde und ihre Eheweiber" zu Hause in Hamburg ein Essen geben, kündigte der Altkanzler an. "Ich habe alle großen Veranstaltungswünsche abgelehnt", sagte der 89-Jährige am Montagabend in der ARD-Talksendung. Der große Bahnhof werde nächstes Jahr nachgeholt.

Lokis Sturz ein großer Schreck

Schmidt zeigte sich überzeugt, dass seine derzeit noch im Krankenhaus liegende Ehefrau Loki an seinem Geburtstag dabei sein wird. Ihr Sturz sei "ein großer Schreck" für ihn gewesen: "Ich war sehr besorgt." Als Beckmann fragte, wer denn nun das Essen koche, entgegnete Schmidt trocken: "Ich weiß es nicht. Ich sicher nicht."

Loki Schmidt war am Donnerstag vergangener Woche in ihrem Haus im Stadtteil Langenhorn gefallen und mit einem Rettungswagen in die Hamburger Asklepios Klinik St. Georg gebracht worden. Nach Aussagen der Ärzte hatte sie sich Prellungen und blaue Flecken zugezogen, jedoch keine Knochenbrüche.

Der Altkanzler kokettiert

Als Beckmann eine Sehnsucht nach einer starken Persönlichkeit ermittelte und Schmidt in einem Atemzug mit Kaiser Wilhelm II. nannte, holte der Altkanzler tief Luft: "Dieser Kaiser hat geglaubt, er sei von Gottes Gnaden eingesetzt." Auf eine demokratische Legitimation habe er sich nie stützen können. Schmidt selbst hält sich nicht für charismatisch. Das wiederholte er bei Beckmann erneut. Er sei ein Mann der Argumente. Und: "Was die Leute an mir schätzen, ist mein weißes Haar."

Im Rückblick auf seine politische Laufbahn sagte der Altkanzler: "Mich hat die Macht nicht interessiert, mich hat die Karriere nicht interessiert. Wer nach Macht strebt, ist potenziell ein gefährlicher Mensch."

(afp)
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