Kommunalwahl Hessen AfD-Erfolg verleitet NPD zum Trittbrettfahren

Berlin/Wiesbaden · Das starke Abschneiden der Alternative für Deutschland in Hessens Kommunen hat Folgen für Umfragen und Politik in Land und Bund

 Mit einem Plakat wirbt die NPD um Zweitstimmen von AfD-Wählern.

Mit einem Plakat wirbt die NPD um Zweitstimmen von AfD-Wählern.

Foto: dpa, bvj pzi

Nach dem überraschend hohen Abschneiden der Alternative für Deutschland (AfD) bei den hessischen Kommunalwahlen wissen die Demoskopen, dass ihr Bauchgrummeln in den zurückliegenden Wochen berechtigt war: Könnte es sein, dass dieses neue Protest-Phänomen in Wirklichkeit größer ist als die Zahl derer, die bei Umfragen offen sagen, dass sie die AfD wählen werden? So lautete die Frage angesichts fehlender Vergleichswerte. Tatsächlich dürften die nächsten Umfragen somit die AfD auch auf Länder- und Bundesebene weiter nach oben bringen, weil die Meinungsforscher ihre Rohdaten stets "gewichten".

Nicht pauschal die ganze Liste

Zwar könnte die landesweite Trendzahl von 13,2 Prozent für die AfD noch einmal nach unten gehen, wenn Donnerstag auch die Stimmzettel ausgezählt sind, in denen Wähler nicht pauschal eine ganze Liste ankreuzten, sondern einzelne Kandidaten mit mehr Stimmen ausstatteten. Doch ändert das nichts daran, dass die AfD nächsten Sonntag gute Chancen hat, gleich mit zweistelligen Ergebnissen in die Landtage Nummer sechs, sieben und acht einzuziehen. Ja, sie könnte in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg sogar an der SPD vorbeiziehen.

Was macht das mit der Politik? AfD-Chefin Frauke Petry triumphiert bereits: "Die Macht der etablierten Parteien bröckelt." Tatsächlich macht sich die Alternative so breit, verlieren Union und SPD derart, dass sogar der Not-Ausweg einer Regierungsbildung über eine große Koalition zu klein zu werden droht. In Baden-Württemberg wird alternativ über eine "Deutschland-Koalition" aus CDU, SPD und FDP (schwarz-rot-gelb) nachgedacht - auch, um der Union eine Juniorpartnerschaft mit den führenden Grünen unter Landesvater Winfried Kretschmann zu ersparen. Und in Sachsen-Anhalt ist eine Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen (schwarz-rot-grün) in der Schublade der Reserve-Optionen.

Möglichkeit von Minderheitsregierungen

"Neue Formeln der Macht könnten gute Auswege sein", analysiert der Duisburger Politik-Professor Karl-Rudolf Korte. Er verweist auf die Möglichkeit von Minderheitsregierungen, auf Viel-Parteien-Koalitionen, auf Bündnisse, in denen die Partner abwechselnd den Regierungschef stellen - mit Rotation in der Wahlperiode. "Die demokratische Mitte findet immer eine Mehrheit, wenn sich die Partner vertrauen", sagt Korte voraus. Dann führe nicht mehr die Logik der Schnittmengen, sondern die Logik des Vertrauens zur Regierungsbildung.

SPD-Generalsekretärin Katarina Barley blickt vor allem auf die niedrige Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent, bei der es "kein Zufall" sei, dass die AfD derart abgeschnitten habe. "Klar ist: Jede Stimme, die nicht abgegeben wird, stärkt die Rechten und ihr reaktionäres und radikales Weltbild", sagt Barley unserer Redaktion. Und dann schießt sie eine volle Breitseite ab: "Die AfD ist eine Partei, die mit Hetze und Hass unsere Gesellschaft spalten möchte." Barley erinnert an das kurzfristige Erstarken extremer Parteien, die genauso schnell wieder verschwunden seien. Deshalb will sie "konsequente Aufklärungsarbeit über die wahren Ziele dieser Partei" leisten und kommt auf die "neoliberale Arbeitsmarktpolitik" der AfD zu sprechen, die den Mindestlohn ablehne und für ein Frauen- und Familienbild aus den fünfziger Jahren stehe. Angesichts der Zugewinne von NPD und Republikanern in einigen Kommunen räumt Barley zugleich ein, dass "rechtes Gedankengut in unserer Gesellschaft zunehmend salonfähig" werde.

CSU und SPD in Sachen AfD einig

So sehr sich CSU und SPD auch in der Flüchtlingsfrage unterscheiden, so ähnlich sehen die Generalsekretäre die weiteren Aussichten der AfD. "Wenn wir die Flüchtlingskrise lösen, wird die AfD so schnell verschwunden sein, wie sie aufgetaucht ist", unterstreicht CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Nach den Kommunalwahlen in Hessen und angesichts der "alarmierenden Umfragewerte für die Landtagswahlen" müsse das jetzt jedem einleuchten. Deswegen kämpfe die CSU so nachdrücklich für eine Begrenzung des Zustroms. Dann gebe es auch kein Protestpotenzial für die AfD mehr.

Kurzfristig aber schielen die Rechtsextremen von der NPD auf den AfD-Erfolg und wollen sich in den Wahlkämpfen in Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz als Trittbrettfahrer versuchen. Neue Wahlplakate suggerieren eine Verbindung aus NPD und AfD und setzen auf die Ahnungslosigkeit potenzieller AfD-Wähler, ihre Erststimme der AfD und die Zweitstimme der NPD zu geben, obwohl einzig die Zweitstimme über die Zusammensetzung des Parlamentes entscheidet. Der AfD-Sprecher bemüht sich um Distanzierung: "Mit der NPD haben wir keine Schnittmenge."

(may-)
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