Zapfenstreich für 31 Garnisonen Hier will die Bundeswehr Stellen streichen

(RP). "Schmerzhaft" nennt Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die Entscheidungen, die er treffen musste, um die drastische Verkleinerung der Bundeswehr auf die konkrete Stationierung zu übertragen. Trotz Tausender von Einzelentscheidungen steht er mit der Reform erst am Anfang.

 Auf der Giftliste: Die Kaserne in Kerpen muss schließen.

Auf der Giftliste: Die Kaserne in Kerpen muss schließen.

Foto: dpa, dpa

Im Bendlerblock, dem Berliner Sitz des Verteidigungsministeriums, ging am Dienstag das Licht nicht mehr aus. Thomas de Maizière (CDU) ließ seine Mitarbeiter rund um die Uhr ackern, damit er gestern verkünden konnte: "Der Sack ist zu!" Kein Gezurre und Gezerre mehr darum, wer wo wie viele Soldaten behalten darf. Dazu holte er sich am Morgen gleich die Unterstützung der restlichen Bundesregierung ab. Und da auch die betroffenen Ministerpräsidenten sehen, wie viel die anderen ebenfalls bluten müssen, da de Maizière zudem die halbe Nacht mit allen telefonierte, hält sich der Protest in Grenzen. Vermutlich auch, weil derzeit keiner mit dem Minister tauschen mag.

Er machte es so wie in seinen bisherigen Jobs. Nur noch viel gründlicher. Und zwar nach dem Dreisatz Begreifen — Bewerten — Bewegen. Und das über Monate: zuerst die Aufgaben der künftigen Bundeswehr in neuen "verteidigungspolitischen Richtlinien" definieren. Dann in "vertrauensvollen" Verhandlungen mit dem Finanzminister neue finanzielle Spielräume erschließen, der Bundeswehr eine künftige Grobstruktur vorgeben und aus der schließlich die definitive Standortverteilung herausarbeiten. Dabei nicht zu vergessen, schon mal ein Milliardenprogramm auf den Weg zu bringen, mit dem er den nicht mehr Gebrauchten den Weg hinaus und den dringend Gesuchten den Weg hinein attraktiv machen will.

Das Ausloten aller Optionen machte er dann zur geheimen Kommandosache ganz weniger Eingeweihter. Er wollte diese damit vor zu viel fremdbestimmten Einflüsterungen schützen. Denn der Strom der Eingaben war gewaltig. Im Sommer bereits hieß es ironisch aus dem Ministerium, die Liste sei nun komplett, und damit meinten die Minister-Mitarbeiter, nun hätten sich Politiker aller Ebenen komplett für jeden bestehenden Standort eingesetzt und nachdrücklich klargemacht, warum ausgerechnet dieser einfach nicht geschlossen werden könne.

In früheren Jahren spielten auch die jeweiligen Landes-Regierungsfarben eine Rolle. Den SPD-Ministern fiel es leichter, Kasernen in "schwarzen" Ländern dichtzumachen; CDU-Ministern tat es weniger weh, wenn Kasernen in "roten" Ländern dran glauben mussten. De Maizière sprach zwar mehrfach mit allen Ministerpräsidenten, doch am Ende orientierte er sich vor allem an vier Grundfragen: Wo erfülle ich welche Funktion der Truppe am besten? Wo kann ich Kosten sparen? Ist der Standort attraktiv? Halte ich die Bundeswehr in der Fläche präsent? Dass er am Ende den Parteifreunden in Bayern und Schleswig-Holstein am schmerzhaftesten auf die Füße treten würde, hatte er am Anfang sicherlich selbst nicht vermutet.

Verwundert suchten gestern viele Soldaten ihre Einheiten und Verbände. Da verschwanden als Folge der ausgesetzten Wehrpflicht nicht nur Kreiswehrersatzämter und Ausbildungskompanien. Auch ganze Geschwader und Panzerdivisionen bekamen den Stempel "Auflösung". Die Befehlsstrukturen strafft der Minister drastisch, macht aus vier Ebenen eine und verteilt die Führung kreuz und quer durch die Republik neu: Heer nach Strausberg, Luftwaffe nach Gatow, Marine nach Rostock, Streitkräftebasis nach Bonn, Sanitätsdienst nach Koblenz.

Allen Vergleichen von vorher und nachher entzieht er die Grundlage, indem er neu definiert, was ein Standort ist, rechnet aus den bestehenden Miniliegenschaften heraus und Großdependancen hinzu, streicht 31 völlig und weitere 90 so stark zusammen, dass 33 von ihnen den Namen nicht mehr verdienen.

Selbst in den in größerem Umfang verbleibenden 264 Standorten geht der Umbau nun erst richtig los. Denn auch die jeweilige Binnenstruktur mit 6500 Organisationseinheiten hat er sich Stück für Stück angesehen — und schneidert sie nach einem anderen Muster neu zusammen. Erst Ende des Jahres steht fest, wie viele Soldaten auch deswegen umziehen müssen.

Ausgespart hat der Minister zudem die Feinplanung fürs Ministerium. Dessen Umfang soll von derzeit 3400 (500 in Berlin, 2900 in Bonn) auf zusammen 2000 schrumpfen. Wenn de Maizière davon nur noch 1000 in Bonn belässt, bedeutet das für diesen Standort den Verlust weiterer, bislang nicht mitgezählter 1900 Stellen. Grund genug für Aufruhr im Kabinett mit den rheinischen Ministerkollegen. Norbert Röttgen lief sich dafür schon einmal warm. De Maizière stellte dieses Kapitel prompt zurück, um nicht den Rest unter die Räder geraten zu lassen. Fortsetzung folgt.

(RP)
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