Volksentscheid über die Homo-Ehe Irland probt den Aufstand gegen die katholische Kirche

Düsseldorf · Ausgerechnet das erzkatholische Irland stimmt als erstes Land weltweit per Volksentscheid über die Einführung der Homo-Ehe ab. Umfragen prognostizieren eine Mehrheit, aber es wird knapp. Die Kirche läuft Sturm. Auch in Deutschland hätten es Lesben und Schwule voraussichtlich schwer, eine Mehrheit zu finden.

Volksentscheid über die Homo-Ehe spaltet Irland
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Homo-Ehe: Irland vor dem Referendum

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Foto: afp, dan

Historischer Tag in Irland: Die Bürger stimmen an diesem Freitag in einem Referendum über die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Eheschließungen ab. Aller katholischen Tradition zum Trotz sieht es nach Umfragen so aus, als könnten Schwule und Lesben einen Sieg feiern. Demnach lagen die Befürworter bei 60 Prozent. Dann würde die Verfassung entsprechend geändert werden.

Doch jüngste Daten weisen darauf hin, dass es eng werden könnte. Sehr eng sogar. Mit jedem Tag, den das Referendum näherrückte, schmolz der Vorsprung der Befürworter dahin. Zudem lehrt die Erfahrung, dass Befragte bei sensiblen Themen oftmals davor zurückscheuen, ihre wirkliche Meinung preiszugeben, wenn jemand vom Umfrageinstitut vor der Tür steht. Anders sieht es dann bei der geheimen Abstimmung in der Wahlkabine aus.

Für Irland ist schon allein das Referendum ein gewaltiger Schritt. Das zeigt allein ein flüchtiger Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit und Tradition: Noch bis 1993 stand in Irland Homosexualität unter Strafe. Abtreibung ist verboten. Mehr als 70 Prozent der Ehen werden von Priestern geschlossen. Und in mehr als 90 Prozent der Grundschulen hat die katholische Kirche das Sagen. Dass jetzt ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen den Willen der Kirche aufbegehrt, gleicht einer kleinen Revolution.

So scheiden sich an der Frage zum Ja oder Nein zur gleichgeschlechtlichen Ehe die Geister. Das Nein-Lager sieht die traditionellen Werte und die Familie in Gefahr. Für das Ja-Lager steht dagegen fest: Lesben und Schwule sollen einander genauso heiraten dürfen wie Heterosexuelle. Alle großen politischen Parteien unterstützen das Vorhaben. Die katholische Kirche hingegen versucht mit aller Kraft, die Verfassungsänderung zu verhindern.

Das dürfte in Deutschland nicht anders sein, sollte es auch hierzulande einmal zu einer Volksabstimmung über die Homo-Ehe kommen. Bislang besteht in Deutschland für Lesben und Schwule nur die Chance, eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft einzugehen. Mit gleichen Pflichten, aber weniger Rechten als in der klassischen Ehe zwischen Mann und Frau.

Zugegeben: Ein Referendum über die Homo-Ehe in Deutschland ist ein rein hypothetischer Fall, da im Grundgesetz keine Volksabstimmungen auf Bundesebene zugelassen sind. Aber interessant ist die Frage schon, ob die Deutschen schon so weit wären. In Berlin regiert immerhin eine christlich-konservative Partei mit Zustimmungswerten, von denen die politische Konkurrenz nur träumen kann.

Zudem gehört zum Alltag von Lesben und Schwulen in Deutschland auch eine fortwährende schleichende Diskriminierung. Homosexualität und Bisexualität werden zur "Abweichung von der Norm" erklärt. So war es gerade erst wieder im "Westfalenblatt" zu lesen, in dem eine Kolumnistin Verständnis für einen Vater äußerte, der seine Kinder nicht zur Hochzeit seines schwulen Bruders mitnehmen wollte.

Andererseits zeigt gerade das Beispiel vom "Westfalenblatt", dass die Anerkennung von Homosexualität in Deutschland auch viele Unterstützer hat. Die Kolumnistin sah sich einem Shitstorm ausgesetzt, der die versteckte Homophobie des Beitrags geißelte.

Auch Markus Ulrich vom Lesben- und Schwulenverband (LSVD) glaubt, dass die Homo-Ehe in Deutschland eine Mehrheit hätte und verweist auf eine Umfrage: In dem ARD-Deutschlandtrend aus dem März 2013 hatten sich 66 Prozent der Deutschen dafür ausgesprochen, eingetragene Lebenspartnerschaften mit einer Ehe zwischen Mann und Frau rechtlich gleichzustellen. Sogar bei CSU-Anhängern ergab das Votum eine knappe Mehrheit.

Allerdings geht Ulrich davon aus, dass es dennoch knapp werden dürfte, sollte es tatsächlich zum Schwur kommen. Nicht nur, weil auch in Deutschland das Phänomen bekannt ist, dass sich Menschen in der Wahlkabine anders verhalten als in Umfragen. Sondern auch aus Gründen, die wahlpolitischer Natur sind: "Leute, die dagegen sind, sind leichter zu mobilisieren", fürchtet Ulrich. Daher dürfte es auch in Deutschland eine enge Entscheidung werden.

Insgesamt waren 3,2 Millionen Iren am Freitag aufgerufen, über die Verfassungsänderung zu entscheiden. Die Wahllokale sollten bis 23.00 Uhr MESZ geöffnet sein. Das Ergebnis des Volksentscheids wird am Samstagnachmittag bekannt gegeben. Sollte das Ja siegen, wäre Irland weltweit das 18. Land, das Homosexuellen gestattet, sich offiziell das Ja-Wort zu geben. Nicht mitgezählt sind Finnland und Slowenien. Beide Länder haben ein entsprechendes Gesetz beschlossen, aber noch nicht umgesetzt.

Mit Material von AFP

(pst)
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