Bayern CSU erwägt Wahlkampf ohne Merkel

Berlin · Die Bayern-Partei denkt 2017 über einen von der CDU losgelösten Bundestagswahlkampf nach, in dem CSU-Chef Seehofer Spitzenkandidat wäre. Als Grund nennt die CSU den Streit in der Flüchtlingspolitik.

 Horst Seehofer will im Wahlkampf unabhängig von der CDU agieren.

Horst Seehofer will im Wahlkampf unabhängig von der CDU agieren.

Foto: dpa, csa tba

Wegen unterschiedlicher Positionen, vor allem in der Flüchtlingspolitik, will die CSU 2017 notfalls einen von der Schwesterpartei CDU losgelösten eigenen Bundestagswahlkampf mit CSU-Chef Horst Seehofer an der Spitze führen. Seehofer habe dies auf einer Sitzung der CSU-Strategiekommission bereits Mitte März für den Fall angekündigt, dass die CDU in der Auseinandersetzung mit der "Alternative für Deutschland" (AfD) seinem Kurs nicht folgt, berichtete der "Spiegel". Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte dem Magazin, es sei derzeit noch offen, ob es ein gemeinsames Wahlprogramm von CDU und CSU geben werde.

Trotz der stark rückläufigen Flüchtlingszahlen setzt die CSU damit den Richtungsstreit mit der CDU fort. Der Bayern-Partei ist der Kurs der CDU-Vorsitzenden, Bundeskanzlerin Angela Merkel, nicht konservativ genug. Die CSU sieht darin den Grund für das Erstarken der AfD. Auf einer Klausurtagung der Parteispitzen der Union will Seehofer Ende Juni versuchen, Merkel endlich von seiner Sicht der Dinge zu überzeugen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer bestätigte: "Im Moment liegen wir in einigen wichtigen Fragen inhaltlich auseinander. Es wäre falsch, das unter den Teppich zu kehren."

In den kommenden Wochen geht es bereits um die Aufstellung der CSU-Kandidaten für die Bundestagswahl. Dabei erwäge Seehofer, selbst auf Platz eins der Landesliste zu kandidieren, berichtete das Magazin. Den Wählern könne man so klarmachen, dass sie nicht Merkel, sondern die CSU wählten, habe Seehofer gesagt. Damit, so das Kalkül der CSU, würde Seehofer maximalen Einfluss auf Merkel ausüben.

Rückenwind erhielt die CSU durch eine neue Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap für die ARD-Reportage-Reihe "Beckmann". Demnach gaben mit 45 Prozent fast die Hälfte der befragten Wahlberechtigten an, sie fänden eine bundesweite Wählbarkeit der CSU gut. 40 Prozent bewerteten dies als nicht gut. Unter Unionsanhängern befürworteten sogar 49 Prozent eine deutschlandweite CSU-Wählbarkeit.

Bayerns Finanzminister Markus Söder hält die Differenzen zwischen CDU und CSU für schwerwiegender als vor 40 Jahren in der größten Krise zwischen beiden Parteien. Die Schwesterparteien seien weiter voneinander entfernt als 1976 bei der Debatte in Kreuth, sagte Söder im ZDF. Damals sei es um persönliche Fragen gegangen. Heute gebe es inhaltliche Unterschiede, "und die müssen wir auflösen".

Wie die CSU halten auch etliche CDU-Politiker eine moderate Richtungskorrektur der Union nach rechts für richtig. "Mit einem klaren ordnungspolitischen Kurs kann die Union auch konservative Wähler überzeugen. Sie brauchen nicht zur AfD zu gehen", sagte etwa Christian von Stetten, Chef des Parlamentskreises Mittelstand in der Unionsfraktion. Er sieht sich durch eine Studie bestätigt, die zurzeit in der Union kursiert. Demnach hatten in westdeutschen Wahlkreisen zwischen 1998 und 2013 konservative CDU-Kandidaten wie von Stetten selbst oder wie Wolfgang Bosbach insgesamt deutlich höhere Stimmenzuwächse als andere Bundestagsabgeordnete. "Die CDU muss in der politischen Mitte bleiben und aufpassen, dass sie auf der Suche nach neuen Wählern im linken politischen Spektrum nicht immer mehr Stammwähler irritiert oder gar verliert", betonte auch Bosbach. "Für Wertkonservative ist nicht Multikulti das gesellschaftliche Ziel, ihnen geht es um Integration und die vorbehaltlose Akzeptanz unserer Rechts- und Werteordnung."

(mar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort