Interview mit Katrin Göring-Eckardt "Ich weiß, wie Krankenschwestern arbeiten"

Berlin · Die Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, spricht im Interview mit unserer Redaktion über das Osterfest, die Konkurrenz der Grünen zur SPD und den Wert alter Handys – für die sollen Hersteller nach dem Willen der Grünen pro Gerät zehn Euro Rückerstattung an die Verbraucher zahlen.

Grünen-Parteitag: Soziales und Vorstandswahl
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Die Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, spricht im Interview mit unserer Redaktion über das Osterfest, die Konkurrenz der Grünen zur SPD und den Wert alter Handys — für die sollen Hersteller nach dem Willen der Grünen pro Gerät zehn Euro Rückerstattung an die Verbraucher zahlen.

Welche Rollenteilung haben Sie mit dem anderen Spitzenkandidaten der Grünen, Jürgen Trittin, im Wahlkampf verabredet?

Göring-Eckardt Wir haben keine Zuständigkeiten aufgeteilt. Beide Kandidaten können sich zu allen Themen äußern. Wir machen es nur nicht gleichzeitig. Konflikte, wenn wir welche miteinander haben, tragen wir ausschließlich miteinander aus und nicht in der Öffentlichkeit.

Was ist dran an dem Scherz, dass Sie als Mutter Teresa und Darth Vader auftreten?

Göring-Eckardt Ich möchte mich nicht mit Mutter Teresa vergleichen wollen. Ihr Einsatz für die Armen ist einzigartig . Richtig ist, dass mir sozialpolitische Fragen besonders am Herzen liegen. Jürgen Trittin gilt zwar immer als harter Politiker, dabei ist immer an der Sache orientiert.

SPD-Parteichef Gabriel wirft den Grünen vor, sie wüssten nicht, wie eine Krankenschwester lebt und denkt. Verstehen die Grünen nichts vom richtigen Leben?

Göring-Eckardt Das ist ein Klischee-Bild, das Gabriel von den Grünen gezeichnet hat. Ich kenne Menschen die arbeitslos sind und auch die, die im Supermarkt an der Kasse stehen. Selbstverständlich weiß ich, wie eine Krankenschwester arbeitet.

Sie wollen die Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger abschaffen, die angebotene Jobs nicht antreten. Ist das nicht doch realitätsfern Menschen gegenüber denen, die jeden Tag zur Schicht gehen?
Göring-Eckardt Wir wollen die Sanktionen nicht abschaffen, sondern aussetzen. Wir wollen Alternativen zu den Sanktionen finden, die sich nicht als sinnvoll erwiesen haben. Das hat etwas mit Realitätssinn zu tun: Es geht darum, sich um die Probleme der Menschen zu kümmern, die einen Job nicht antreten. Sanktionen können nur das allerletzte Mittel beim Fördern und Fordern sein.

Die Gesetze der alten rot-grünen Regierung wollen Sie auch bei den Mini-Jobs reformieren. Wie viel darf von denen übrig bleiben?

Göring-Eckardt Als wir die Mini-Jobs eingeführt haben, dachten wir, sie seien eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt. Diese Erwartung hat sich aber nicht erfüllt. Wir wollen Mini-Jobs eindämmen — nur für den haushaltsnahen Bereich die unkomplizierte Anmeldung der Arbeitskraft erhalten. Für andere Jobs gilt: Alle Verdienste über 100 Euro im Monat sollen steuer- und abgabepflichtig werden, mit reduzierten Beiträgen für geringe Einkommen.

Welchen Effekt versprechen Sie sich davon?

Göring-Eckardt Dadurch könnte wieder mehr reguläre Beschäftigung entstehen. Die Leute wären besser abgesichert und könnten wieder mehr Rentenansprüche aufbauen.

Sehen Sie die steigenden Strompreise als soziales Problem?
Göring-Eckardt Menschen, die am Ende des Monats damit zu kämpfen haben, welche Rechnung sie noch bezahlen können, leiden nicht in erster Linie unter den hohen Strompreisen. Sie sind vor allem von steigenden Heizkosten betroffen. Das liegt daran, dass Öl und Gas immer teurer werden. Die Strompreis-Vorschläge von Umweltminister Altmaier hätten nur dazu geführt, dass die Stromrechnung im Jahr für einen Durchschnittshaushalt um 15 bis 18 Euro gesunken wäre. Das ist für einen Haushalt mit knappen Finanzen eine verdammt kleine Summe. Im Gegenzug hätten sie aber die Solarwirtschaft abgewürgt und tausende Arbeitsplätze gefährdet.

Was ist die Alternative?

Göring-Eckardt Man könnte bis zu vier Milliarden Euro einsparen, wenn man vor allem bei den Netzentgelten und beim EEG unberechtigte Ausnahmen streicht. Hilfreich ist es auch, die Menschen zu beraten, wie sie Strom sparen können. Altmaier hat dazu zwar ein Programm aufgelegt, aber das wird kaum abgerufen. Die Caritas hat mit Energieberatungen guten Erfolg. Die Haushalte sparen danach pro Jahr 60 bis 80 Euro ein.

Was wollen die Grünen mit dem neuen Energieeffizienzgesetz?

Göring-Eckardt Es geht darum mit Energie und Rohstoffen sorgsam umzugehen. Wir wollen Unternehmen und die öffentliche Hand mit klaren Vorgaben dahin bringen, noch mehr Energie einzusparen. Bei den Rohstoffen geht es um Wiederverwertung. Wir wollen beispielsweise eine Rücknahmegarantie für Handys durch die Hersteller.

Und warum sollte der Verbraucher sein Mobiltelefon zurückbringen?

Göring-Eckardt Für die Verbraucher soll ein finanzieller Anreiz gesetzt werden, dass sie die Handys zurückgeben. Sie sollen bei Rückgabe eine Rückerstattung von 10 Euro erhalten. Die Rohstoffe, die in den Handys stecken sind so viel wert, dass sich dies lohnt. Es liegen in den Schubladen zu Hause derzeit mehr Handys, als wir Einwohner in Deutschland haben.

Was wird aus Ihnen, wenn Rot-Grün die Bundestagswahl gewinnt?

Göring-Eckardt Fragen Sie mich das nach der Wahl.

Was erwarten Sie vom neuen Papst Franziskus?

Göring-Eckardt Ich bin ja durch und durch evangelisch. Die Idee, dass man alle Hoffnungen und Sehnsüchte auf eine Person projiziert, ist mir fremd. Positiv finde ich, dass er ohne viel Pomp als Mensch auftritt und sich auf andere Menschen und das, was ihm begegnet, einlässt. Ich habe den Eindruck, dass er eine große innere Freiheit hat, sich dem Druck der Kurie zu widersetzen. Aber er ist katholisch-traditionell: Für die Frauen, für die Laien oder für die Homosexuellen wird er wohl nichts bewegen.

Und für die Ökumene?

Göring-Eckardt Wer sich so sehr für die Ärmsten einsetzt, weiß auch, dass dies nur ökumenisch geht. Das kann eine Kirche alleine nicht leisten. Ob es auch Verbesserungen für konfessionsverbindende Ehen gibt, die gemeinsam zum Abendmahl gehen wollen, das kann ich nicht einschätzen.

Was ist für Sie an Ostern wichtig?

Göring-Eckardt In der Fastenzeit und in der Karwoche betrachtet man als Christenmensch die Welt anders, weil man den Kreuzgang Jesu Christi im Kopf hat. Nach dieser innerlich dunklen Zeit ist es ein freudiges Ereignis, dass wir die Auferstehung feiern. Die Auferstehungsbotschaft berührt mich immer wieder, schließlich geht es auch um die Freiheit der Seele.

Eva Quadbeck stellte die Fragen.

(qua)
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