Interview mit Bernd Riexinger "Ich würde mich selbst mit Peer Steinbrück hinsetzen"

Berlin · Der Chef der Linkspartei, Bernd Riexinger, wirbt im Gespräch mit unserer Redaktion für Rot-Rot-Grün 2013 im Bund, für eine Vermögenssteuer und die Einführung eines Mindestlohns.

 Bernd Riexinger möchte die Reichen in Deutschland deutlich stärker besteuern.

Bernd Riexinger möchte die Reichen in Deutschland deutlich stärker besteuern.

Foto: dpa, Maurizio Gambarini

Welches Ministeramt hätten Sie gerne im Herbst 2013 unter Rot-Rot-Grün?

Riexinger So weit sind wir nicht. Aber wir haben jedenfalls eine Finanz-Expertin, vor deren Kompetenz selbst unsere politischen Gegner Respekt haben.

Sahra Wagenknecht?

Riexinger Bei ihr wäre das Geld der Steuerzahler jedenfalls besser aufgehoben als bei Herrn Schäuble. Aber im Ernst: mir macht Sorgen, dass gewählte Politiker immer weniger zu sagen haben. Der ESM bürdet uns einen gewaltigen Schuldenberg auf, und die EZB kauft den Banken mit gedrucktem Geld ihre faulen Anleihen ab. EZB und ESM sind die Vereinigten Schulden von Europa. Ich wäre dafür, dass EZB-Chef Draghi dem Bundestag erklärt, warum sich die EZB zu einer europäischen Ersatzregierung aufschwingt. Das Parlament hätte dann Gelegenheit, im Lichte der Ereignisse die Unabhängigkeit der Notenbanken gänzlich neu zu diskutieren. Wir sind für mehr demokratische Kontrolle und parlamentarische Vetorechte.

SPD und Grünen haben ablehnend auf die Öffnung der Linken für Rot-Rot-Grün reagiert. Ist das letzte Wort schon gesprochen?

Riexinger Das letzte Wort wird nach der Wahl gesprochen. Der Ball liegt im Feld von SPD und Grünen. Unser Vorstoß hat die Debatte geöffnet. Mindestlohn, Mindestrente, Reichensteuern, das ist ein offensives Reformprogramm. Mich stören diese kindischen Abgrenzungsrituale in der Opposition. Das ist Merkels Lebensversicherung. Ich würde mich selbst mit Peer Steinbrück hinsetzen, wenn das Ergebnis stimmt. Ich kann mir zum Beispiel keine Einigung vorstellen, in der nicht eine Rückabwicklung der unter Rot-Grün beschlossenen Rentenkürzungen und eine Garantie für ein Rentenniveau über 50 Prozent enthält. Da muss die SPD eine Ansage machen, ob sie eine Reformregierung oder eine große Koalition will.

SPD und Grüne halten die Außenpolitik der Linkspartei für nicht tragfähig. Werden Sie denen entgegenkommen?

Riexinger Wir bleiben dabei, dass wir keine Kriegseinsätze der Bundeswehr mittragen.

Das heißt, am Tag des Koalitionsvertrags müssen alle deutschen Soldaten in Kriegseinsätzen abgezogen werden?

Riexinger Ich verhandele hier keinen Koalitionsvertrag. Den Grundsatz werden wir nicht über Bord werfen.

Was würden Sie in Regierungsverantwortung finanzpolitisch als erstes durchsetzen?

Riexinger 75 Prozent Steuer für jeden Euro Einkommen über eine Million Euro und fünf Prozent Steuer für jeden Euro Vermögen über eine Million Euro.

Was haben Sie gegen Reichtum?

Riexinger Gegen Reichtum habe ich nichts, aber gegen seine ungerechte Verteilung. Zumal es sich meistens um Vermögen handelt, das andere erarbeitet haben.

Es handelt sich aber meistens um Vermögen, das schon einmal besteuert wurde.

Riexinger Selbst im Mutterland des Kapitalismus, in den USA, gibt es eine Vermögenssteuer. Es geht um die Frage, wer die Lasten der Euro-Krise aufbringt. Mit einer einmaligen Vermögensabgabe für alle Millionäre könnten wir komplett den deutschen Anteil am Rettungsschirm ESM von 190 Milliarden Euro finanzieren. Wir werden genau das beantragen, um zu verhindern, dass die Armen die Schulden der Reichen bezahlen.

In den USA gibt es zwar eine Vermögensteuer, dafür aber ist die Einkommensteuer deutlich niedriger als bei uns. Wollen Sie dann die Einkommensteuer senken?

Riexinger Ja, aber nur für die mittleren Einkommen. Hohe Einkommen wollen wir stärker besteuern.

Sie wollen eine Vermögenssteuer, sie wollen eine Steuer für Einkommensmillionäre, sie wollen einen höheren Spitzensteuersatz. Wie wollen Sie die Wirtschaft am Laufen halten?

Riexinger Riesenvermögen in den Händen weniger lähmen die Wirtschaft. Wir müssen diesen überflüssigen Reichtum abpumpen und in die Realwirtschaft umleiten. Das hat der damalige US-Präsident Roosevelt in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts in einer Krise von vergleichbarem Ausmaß gemacht, und es hat funktioniert. Das deutsche Exportmodell funktioniert dagegen auf Dauer nicht. Wir müssen den Binnenmarkt stärken, der immer noch zu schwach ist. Dafür brauchen wir zuallererst den Mindestlohn.

Mit der Einführung des Mindestlohns werden Sie aber keine Arbeitsplätze schaffen, sondern in den einfachen Jobs Arbeitsplätze vernichten.

Riexinger Nein, der Mindestlohn schafft Arbeitsplätze, weil er den Binnenmarkt stärkt. Wer wenig verdient, gibt den größten Teil seines Einkommens für Konsum aus.

Haben Sie mal ausgerechnet, was alle Ihre sozialstaatlichen Forderungen kosten?

Riexinger Ja, die würden rund 140 Milliarden Euro im Jahr kosten. Gleichzeitig sind unsere Steuervorschläge so, dass wir mindestens 160 Milliarden Euro mehr einnehmen würden. Wir haben den Mut, Reiche zu belasten.

Wenn die Wirtschaft wegen Ihrer Steuerpolitik um 0,6 Prozent schrumpft, fällt ihre Rechnung in sich zusammen.

Riexinger Die Linke hat in ihren wirtschaftspolitischen Analysen in den letzten Jahren deutlich richtiger gelegen, als der gesammelte Sachverstand der bürgerlichen Ökonomie. Die Finanzkrise war für die bürgerliche Ökonomie so unwahrscheinlich wie ein Atomunfall.

Eva Quadbeck führte das Gespräch.

(felt)
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