Chaos Computer Club wirft Behörden Rechtsbruch vor Illegale Überwachung alarmiert Berlin

Berlin (RPO). Der Chaos Computer Club wirft den staatlichen Ermittlungsbehörden vor, illegale Überwachungssoftware zu nutzen. Zuvor hatten die Hacker den dazu verwendeten Bundestrojaner gehackt. FDP und Grüne fordern einen unverzüglichen Bericht an den Innenausschuss.

 Teile eines Computer-Codes einer Spionagesoftware, den die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung an diesem Sonntag abdruckte.

Teile eines Computer-Codes einer Spionagesoftware, den die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung an diesem Sonntag abdruckte.

Foto: dpa, dpa

"Die untersuchten Trojaner können nicht nur höchst intime Daten ausleiten, sondern bieten auch eine Fernsteuerungsfunktion zum Nachladen und Ausführen beliebiger weiterer Schadsoftware", teilte der Verein am Samstagabend in Berlin mit. Damit sei ein digitaler großer Lausch- und Spähangriff möglich.

Das Programm wird von den Sicherheitsbehörden unter anderem zur sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) genutzt. Dabei dringen Ermittler zum Beispiel in Rechner von Verdächtigen ein, um die Verschlüsselung von Gesprächen mithilfe von Programmen wie Skype zu umgehen. Sie darf allerdings nur eingesetzt werden, "wenn sich die Überwachung ausschließlich auf Daten aus einem laufenden Telekommunikationsvorgang beschränkt", wie es in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 2008 zur Online-Durchsuchung heißt.

In seiner Analyse weist der CCC allerdings Funktionen nach, "die über das Abhören von Kommunikation weit hinausgehen und die expliziten Vorgaben des Verfassungsgerichtes verletzen". Die Computerexperten beklagen einen expliziten "digitalen großen Lausch- und Spähangriff", indem ferngesteuert auf das Mikrofon, die Kamera und die Tastatur des Computers zugegriffen werde. Die Ermittlungsbehörden schreckten nicht "vor einer eklatanten Überschreitung des rechtlichen Rahmens zurück".

FDP und Grüne fordern Unterrichtung des Innenausschusses

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) reagierte beunruhigt auf die Analyse des Chaos Computer Clubs. "Wenn die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in der Praxis durch die Technik nicht eingehalten werden, verschwindet das Vertrauen der Bürger", räumte sie am Sonntag in Berlin ein. Sie erinnerte an den Koalitionsvertrag, in dem sie Union und FDP darauf verständigt hatten, "dass der Kernbereich privater Lebensgestaltung künftig besser gesetzgeberisch abgesichert wird". Dieses Vorhaben müsse die schwarz-gelbe Koalition jetzt anpacken.

Die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz forderte von der Bundesregierung "eine umfassende und zügige Prüfung der Vorwürfe und einen Bericht an den Innenausschuss des Deutschen Bundestags". Bis zur endgültigen Klärung der Vorwürfe dürfe die Software nicht eingesetzt werden, verlangte Piltz.

Auch die Grünen forderten einen umfassenden Bericht der Verantwortlichen von Bundeskriminalamt und Innenministerium im Innenausschuss des Bundestags. "Der Einsatz der fraglichen Software muss sofort gestoppt werden", erklärte Grünen-Chefin Claudia Roth. Auch sprach sie sich für ein Ende der Online-Durchsuchung aus. "Die Auswüchse der technischen Überwachung müssen zurückgedrängt werden, Bürgerrechte gehören gestärkt und nicht schrittweise durch die tägliche Praxis abgebaut", sagte Roth.

Die Piratenpartei forderte im Falle eines nachweislich fahrlässigen Verhaltens personelle Konsequenzen. Dies schließe ausdrücklich den Chef des BKA, Jörg Ziercke, sowie den verantwortlichen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mit ein, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Piratenpartei, Bernd Schlömer.

(apd/pst)
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