Türkei Immer mehr türkische Diplomaten beantragen Asyl

Berlin · Die Zahl der türkischen Diplomaten, die in Deutschland um Asyl bitten, hat sich in den vergangenen Monaten vervielfacht. Das dürfte kaum zur Entspannung zwischen Ankara und Berlin beitragen. Ohnehin wirft die Türkei Deutschland vor, Terrorverdächtige zu schützen.

 Immer mehr türkische Diplomaten beantragen Asyl in Deutschland.

Immer mehr türkische Diplomaten beantragen Asyl in Deutschland.

Foto: RP/Endermann

Angesichts des harten Vorgehens gegen Regierungsgegner nach dem Putschversuch in der Türkei suchen immer mehr türkische Diplomaten Schutz vor politischer Verfolgung in Deutschland. Der Bundesregierung seien "136 Asylanträge von Diplomatenpassinhabern aus der Türkei bekannt", heißt es in einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Özcan Mutlu, die der Deutschen Presse-Agentur am Freitag vorlag. Darunter seien auch Familienangehörige von Diplomaten.

Der Rechercheverbund von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung" berichtete unter Berufung auf das Innenministerium, diese 136 Anträge seien zwischen August 2016 bis Januar 2017 gestellt worden. Im Oktober hatte die Bundesregierung diese Zahl nach Angaben des Rechercheverbundes noch mit 35 angegeben. Neben Diplomaten erhalten auch deren Ehegatten und Kinder Diplomatenpässe. Unklar ist, ob bereits über Asylanträge entschieden wurde.

In der Türkei sitzen Gülen-Anhänger im Gefängnis

Deutschland dürfte zu den Ländern mit den meisten türkischen Diplomaten weltweit gehören. Wegen der rund 1,5 Millionen türkischen Staatsbürger in Deutschland unterhält die Türkei neben der Botschaft in Berlin Konsulate in Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Köln, Mainz, München, Münster, Nürnberg und Stuttgart.

Nach dem Putschversuch vom Juli 2016 hatte die türkische Regierung ihr Vorgehen gegen mutmaßliche Anhänger des Predigers Fethullah Gülen, aber auch gegen andere Regierungsgegner verschärft. Rund 100.000 Beschuldigte wurden aus dem Staatsdienst entlassen, Zehntausende Verdächtige sitzen in Untersuchungshaft. Beamte im Ausland wurden aufgefordert, in die Türkei zurückzukehren. Wie viele davon dem Aufruf nicht Folge leisteten, ist unbekannt. Die Regierung macht Gülen für den Putschversuch von 2016 verantwortlich.

Ankara warf Deutschland wiederholt vor, Terrorverdächtigen Schutz zu gewähren. Dennoch stellte die Türkei in den vergangenen zwei Jahren nur rund 20 Auslieferungsgesuche wegen Terrorismus, wie aus der Antwort des Innenministeriums hervorgeht. 2015 gingen demnach 66 Auslieferungsgesuche der Türkei ein, darunter 13 wegen Terrorismus.

60 Gesuche für 2016

Für 2016 lagen 60 Gesuche vor, davon 8 wegen Terrorismus. Die Zahlen für 2016 wurden noch nicht abschließend erfasst. Aus der Antwort geht nicht hervor, wie über die Gesuche entschieden wurde.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte im November gesagt, die Türkei verlange von Deutschland die Auslieferung von "mehr als 4000" Angehörigen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. "Aber sie haben uns nicht einen einzigen gegeben."

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte kurz zuvor kritisiert, dass Deutschland die Auslieferung Terrorverdächtiger verweigere. Er habe Bundeskanzlerin Angela Merkel "4000 Akten" dazu gegeben. "Es fällt mir schwer zu verstehen, wie ein demokratisches Land, das zu den führenden Staaten der EU gehört, Mitglieder einer Organisation verteidigen kann, die es als Terrororganisation einstuft."

Türkische Regierung will etwas gegen überfüllte Gefängnisse tun

Unterdessen will die türkische Regierung etwas gegen die Überfüllung ihrer Gefängnisse wegen der Inhaftierung Zehntausender seit dem Putsch im vergangenen Juli unternehmen. Ministerpräsident Binali Yildirim kündigte am Freitag an, Straftäter mit niedrigen Haftstrafen sollten in den offenen Strafvollzug verlegt werden. Nicht in Frage dafür kämen Häftlinge, die wegen Terrorismus, organisiertem Verbrechen oder Kindesmissbrauchs verurteilt worden sein.

Yildirim räumte ein, dass es "wegen des Kampfes gegen den Terrorismus etwas Überfüllung" in türkischen Gefängnissen gebe. Das Justizministerium hatte bereits am Mittwoch die Regeln dafür modifiziert, wer für den offenen Strafvollzug in Frage komme. Das sind demnach Häftlinge mit Strafen von weniger als zehn Jahren, die mindestens einen Monat gute Führung bescheinigt bekommen. Yildirim betonte, es handele sich nicht um eine Amnestie.

(dpa/heif)
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