Andrea Nahles im Interview "In der Eifel tanke ich auf"

Berlin (RP). Die Generalsekretärin der SPD, Andrea Nahles, will das Jahr 2010 zur Reanimierung der lädierten Sozialdemokratie nutzen. Der Glaube und ein abgeschiedener Bauernhof in der Eifel sollen ihr dabei helfen.

Die Karriere der Andrea Nahles
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Sie haben schon einmal den Generalsekretärsposten angestrebt. Was reizt sie an dem Job?

Nahles Organisation von Politik ist spannend. Wer Menschen überzeugen will, muss in Form und Inhalt den Nerv der Zeit treffen. Daran mitzuhelfen, das finde ich spannend.

Welche politischen Ziele haben Sie sich für 2010 gesetzt?

Nahles Nach diesem doch sehr turbulenten Jahr 2009 geht es in erster Linie darum, die SPD wieder aufzurichten. Dazu müssen wir natürlich die Ursachen für die Wahlniederlage am 27. September analysieren und auch unbequeme Erkenntnisse zulassen. Was wir brauchen, ist ein Neuanfang. Der Parteitag in Dresden war der Auftakt für die Weiterentwicklung der SPD hin zu einer modernen, linken Volkspartei für das 21. Jahrhundert. Sigmar Gabriel und ich gestalten diesen Neuanfang zusammen. Mittelfristig müssen wir gemeinsam den Kraftakt stemmen, die eigene Partei zu motivieren und zu stabilisieren. Ein wichtiger Termin gleich zu Beginn des neuen Jahres ist die Jahresauftaktklausur Mitte Januar. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai. Wir werden Hannelore Kraft mit aller Energie unterstützen und ihr zusätzlichen Rückenwind geben, damit sie Jürgen Rüttgers wieder nach Hause schicken kann.

Haben Sie gelegentlich Versagensängste?

Nahles Nein. Aber natürlich gibt es Momente, wo man merkt, wie groß die Herausforderungen sind.

Und wenn Sie auftanken wollen, ziehen Sie sich auf ihren Bauernhof in der Eifel zurück?

Nahles Ja, mein Haus in Weiler ist sicherlich dieser Ort. Dort kann ich zur Ruhe kommen, abschalten und neue Kraft tanken. Mein Refugium halt.

Ein Journalist hat mal über Sie geschrieben: Im Grunde ist sie ein einfaches, liebenswürdiges Mädchen vom Land. Ist da was dran?

Nahles Was wäre daran auszusetzen? Ganz sicher bin ich in meiner Heimat tief verwurzelt, aber mein Radius reicht doch deutlich darüber hinaus. Trotzdem gibt es keinen Grund, meine Herkunft aus der Vulkaneifel zu leugnen. Im übrigen kann ich mich an den Journalisten erinnern. Der war nicht liebenswürdig.

Mit wem beraten Sie sich, was die politische Arbeit betrifft?

Nahles Ich berate mich regelmäßig mit Freunden und Vertrauten aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen. Übrigens nicht nur, was die politische Arbeit betrifft. Privat und politisch habe ich langjährige intensive Diskussionspartner, die mir sagen, dass ich Mist gebaut habe, wenn ich Mist gebaut habe. Das ist wichtig!

Sie betonen in Ihrem neuen Buch Ihren Glauben sehr stark. Wo hilft der Ihnen?

Nahles Er gibt mir Kraft, Zuversicht und ein Gefühl, getragen zu sein.

Was können Frauen in Führungsaufgaben besser als Männer?

Nahles Besser? Ich denke, wir machen manches anders. Als ich zum Beispiel zu Beginn der Vorweihnachtszeit einen großen Adventskranz in mein Büro gestellt habe, war der Kommentar meiner Sekretärin: "Da merkt man, dass jetzt hier eine Frau Chef ist." Ich glaube, das war als Kompliment gemeint.

Sie haben mal gesagt, sie haben ein Elephanten-Gedächntis. Verdrängen Sie nun die schlechten Erfahrungen, die Sie mit Ihrem neuen Vorgesetzten Sigmar Gabriel gemacht haben?

Nahles Ich habe keine schlechten Erfahrungen mit Sigmar Gabriel gemacht. Wir hatten vor 2005 keine bemerkenswerten Begegnungen. Das Wort Nicht-Verhältnis trifft es wohl ganz gut. Er war in Niedersachsen, ich in Rheinland-Pfalz. Wir kommen aus unterschiedlichen Ecken innerhalb der Partei: Er war bei den Falken, ich bei den Jusos. Tatsächlich waren wir auch nicht immer einer Meinung. Aber jetzt ist Teamspiel angesagt in der SPD und die Spitze der Partei kann dafür ein Beispiel sein. — Und es klappt gut!

Wie wollen Sie junge Leute für Politik gewinnen?

Nahles Das distanzierte Verhältnis vieler junger Menschen zu den Parteien ist nicht gut für unsere Demokratie. Ich bin 1988 der SPD beigetreten, weil ich etwas verändern wollte. Parteien sind wichtig für die öffentliche Meinungsbildung und den gesellschaftlichen Konsens. Ich suche den Kontakt zu jungen Leuten, möchte mit ihnen ins Gespräch kommen und sie dazu einladen, sich einzumischen und mitzumachen. Demokratie kommt mit Zaungästen allein nicht aus. Wir brauchen aktive Demokraten. Aber ganz ehrlich: Wer gute Ideen hat, wie unsere Demokratie bei jungen Menschen punkten kann: Bitte melden!

Was war ihr größter politischer Fehler, die Zustimmung zur Schuldenbremse?

Nahles Ich denke nicht in so ultimativen Kategorien. Aber die Zustimmung zur Schuldenbremse im Bundestag ist mir in der Tat nicht leicht gefallen. Ich habe in einer Erklärung deutlich gemacht, dass ich nur aus Fraktionsdisziplin zustimme. Es war keine Gewissensfrage und ich erwarte bei Anliegen die mir wichtig sind, die aber auch umstritten sind, von meinen Fraktionskollegen auch, dass sie mich unterstützen. Aber ja, das sind Momente, da knirscht man schon mit den Zähnen.

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