Interview mit Hans-Peter Friedrich Innenminister: NPD-Verbot zu riskant

Berlin (RP). Das Attentat von Norwegen hat vor allem in Deutschland eine neue Diskussion über die innere Sicherheit, aber auch den Umgang mit Rechtsextremismus ausgelöst. Im Interview mit unserer Redaktion spricht Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich über Konsequenzen aus dem Blutbad, die Diskussion um ein NPD-Verbot, aber auch darüber, was Schwarz-Gelb noch bewegen will.

Das ist Hans-Peter Friedrich
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Herr Friedrich, Sie sind der Minister für Innere Sicherheit. Nach Oslo sind viele verunsichert. Sie auch?

Friedrich Nein. Als freie, offene Gesellschaft wissen wir, dass wir Aktionen fanatisierter Einzeltäter nie gänzlich ausschließen können. Aber unsere Sicherheitsbehörden tun alles, um dem so weit es geht entgegenzutreten. Wir dürfen uns nicht verunsichern lassen, sondern müssen entschlossen auf unserem Weg weitergehen.

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus Bombenanschlag und Massaker?

Friedrich Wir überprüfen ständig unsere Präventiv- und Sicherungssysteme und stellen uns gegebenenfalls auf neue Gefährdungssituationen ein. Da fließen unsere eigenen Erkenntnisse ebenso ein wie beispielsweise im aktuellen Fall die Ermittlungsergebnisse, die wir von unseren norwegischen Kollegen bekommen.

Gibt es Konsequenzen fürs Waffenrecht?

Friedrich Deutschland hat bereits ein sehr restriktives Waffenrecht. Es wurde zuletzt nach dem Amoklauf in Winnenden nochmals verschärft. Im Übrigen unterliegt das Waffenrecht ohnehin einer fortlaufenden Überprüfung.

Es gibt Vorschläge zu verstärkten polizeilichen Internetstreifen.

Friedrich Das Internet ist ein Teil unserer alltäglichen Realität geworden. Recht und Gesetz müssen auch hier gelten — und wir müssen es auch durchsetzen!

Also mehr Polizisten zur Beobachtung des Internets?

Friedrich Wir beobachten das Internet sehr genau, aber wir können und wollen auch keine Totalüberwachung durchführen. Meinungs- und Informationsfreiheit sind auch im Internet geschützt, zugleich müssen Straftaten konsequent verfolgt werden.

Würde eine Gefährderdatei weiter helfen?

Friedrich Besorgniserregende Äußerungen und Entwicklungen werden selbstverständlich beobachtet und systematisch analysiert.

Nach Oslo ist die Debatte über die Vorratsdatenspeicherung wieder in Gang gekommen.

Friedrich Losgelöst von dem Vorfall in Oslo: Nachdem jetzt auch ein Mahnschreiben der EU-Kommission eingegangen ist, müssen wir möglichst schnell dazu kommen, die Richtlinie auch umzusetzen.

In diesem Herbst noch?

Friedrich Ich bin zuversichtlich, dass wir das gemeinsam noch in diesem Jahr schaffen werden.

Es gibt die Anregung, nach der Bluttat von Oslo einen neuen Anlauf für ein NPD-Verbot zu unternehmen.

Friedrich Wir sollten die Tragödie in Norwegen nicht für parteipolitische Zwecke instrumentalisieren. Das NPD-Verbot wird ja seit vielen Jahren diskutiert. Jeder muss wissen, dass ein solches Verbotsverfahren mit erheblichen Risiken behaftet ist. So müssten wir im Zuge eines solchen Verfahrens beispielsweise die V-Leute "abschalten". Dies erscheint mir unter Sicherheitsgesichtspunkten zu riskant.

Brauchen wir eine schärfere Kontrolle von Stoffen, die zum Bombenbau geeignet sind?

Friedrich Es gibt bereits Kontrollsysteme. Aber das ist sicher ein Bereich, den man noch stärker unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten betrachten muss.

Müssen angesichts der Gefahr von Nachahmungstätern Parteiveranstaltungen und Ferienlager stärker geschützt werden?

Friedrich Wir sollten jetzt nicht in Panik verfallen. Aber Aufmerksamkeit ist natürlich immer geboten.

Sollte insgesamt mehr gegen Rechtsextremismus getan werden?

Friedrich Keine Form von Extremismus ist hinnehmbar und gegen jede Form von Gewaltverherrlichung und politisch motivierter Kriminalität muss etwas getan werden. Auch die Bekämpfung des Rechtsextremismus bleibt dabei eine Daueraufgabe.

Verunsicherung herrscht auch wegen der Freilassung von Gewalttätern aus der Sicherungsverwahrung. Sind die elektronischen Fußfesseln die richtige Antwort darauf?

Friedrich Das wird man von Einzelfall zu Einzelfall beurteilen müssen. Es kommt darauf an, wie die verantwortlichen Stellen, z.B. Polizei und Justizbehörden den jeweiligen Fall beurteilen. Wir brauchen auf jeden Fall bald ein Konzept für die neue therapeutische Unterbringung, um die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten.

Facebook-Partys binden immer mehr Polizeikräfte, führen zu Kosten im sechsstelligen Bereich. Muss der Einladende die bezahlen?

Friedrich Das Thema ist in der Tat bereits in verschiedenen Bundesländern zu einem akuten Problem geworden. Netzwerke wie Facebook müssen hier zumindest das von ihrer Seite Mögliche tun, um Fehlbedienungen oder einen offensichtlichen Missbrauch zu verhindern.

Noch ein Thema der Verunsicherung: der Euro. Sind wir nach dem Gipfel auf dem richtigen Weg?

Friedrich Wir haben in Europa das gemeinsame Interesse, dass kein Land zahlungsunfähig wird. Das hätte massive Auswirkungen auf alle anderen Länder. Der Rettungsschirm, den wir jetzt konstruiert haben, zeigt nicht nur unsere Solidarität, sondern stellt auch sicher, dass betroffene Länder auf einen soliden und seriösen Kurs gebracht werden können.

Sie sollen im vertrauten Kreis vorgeschlagen haben, dass Griechenland aus der Euro-Zone ausscheiden möge. Ist das richtig?

Friedrich Wir sind auf dem richtigen Weg, den Griechen einerseits zu helfen, ihnen aber andererseits klare Vorgaben zu machen. Die Griechen selbst sind gefordert, ihre Volkswirtschaft wettbewerbsfähig zu machen.

Sie haben am Panzergeschäft mit Saudi-Arabien mitgewirkt. Die Leopard-II-Panzer sind besonders zur Bekämpfung von Aufständen geeignet. Und die liefern Sie jetzt in eine Region, in der Feudal-Machthaber von Aufständen bedroht sind. Ist das in Ordnung?

Friedrich Spekulationen um Entscheidungen des Bundessicherheitsrates kommentiere ich nicht. Aber unabhängig davon ist Saudi-Arabien auch das Land, das in der Region momentan am ehesten für eine gewisse Stabilität steht. Daran sollten wir alle interessiert sein.

Und dann steht Deutschland irgendwann auf der falschen Seite im arabischen Frühling?

Friedrich Wir müssen dazu beitragen, die Länder des arabischen Frühlings zu stabilisieren. Es reicht eben nicht, sich seines Machthabers zu entledigen, es kommt entscheidend darauf an, ein neues demokratisches System zu etablieren. Das wird die eigentliche Herausforderung sein.

Welche Rolle spielen die Interessen der Rüstungsindustrie, die in München und Düsseldorf den Leopard baut?

Friedrich Deutschland hat eine leistungsfähige technologische Industrie. Wir sind froh, dass wir in diesem Bereich Fähigkeiten haben, die wir als Deutsche und Europäer brauchen, um unsere eigene Sicherheit zu gewährleisten. Damit der Abzug aus Afghanistan gelingt, kommt es auch auf Sie und die Ausbildung von afghanischen Polizisten an.

Da lagen die Deutschen lange hinter dem Plan.

Friedrich Deutschland betreut nach den USA das größte Polizeiprojekt in Afghanistan. Wir kommen zügig voran. Die gegenwärtige Zielgröße, bis Oktober 2011 134.000 Polizisten auszubilden, werden wir gemeinsam mit unseren internationalen Partnern planmäßig erreichen.

Wie lange wird die Ausbildung nötig sein?

Friedrich Noch eine ganze Weile. Es geht in Afghanistan nicht nur um eine Basisausbildung, sondern gerade um Inhalte, Strukturen und qualitative Tiefe der Ausbildung. Nur so erreichen wir eine nachhaltige Stabilisierung.

Finden Sie genügend Freiwillige unter den deutschen Polizisten?

Friedrich Ja. Dies liegt vor allem daran, dass wir die Beamten sehr intensiv über die Möglichkeiten und die Bedingungen vor Ort informieren.

Da zeigte die bayerische Polizei lange Zurückhaltung.

Friedrich Der Einsatz in Afghanistan ist nur durch das gemeinsame Engagement von Bund und Ländern möglich. Die Unterstützung Deutschlands genießt dabei sowohl von der internationalen Gemeinschaft als auch von afghanischer Seite hohe Anerkennung. Daher danke ich den Bundesländern für ihre Unterstützung.

Zur Halbzeit liegt die Regierung in den Umfragen weit hinter der Opposition. Viele empfinden die "Traumkoalition" als Albtraum. War's das mit Schwarz-Gelb?

Friedrich Wir haben erst Halbzeit. Wie das Spiel im Fußball 90 Minuten hat, hat die Koalition vier Jahre. Diese Zeit werden wir nutzen!

Zumindest bei den Sicherheitsgesetzen kämen sie mit der SPD leichter voran als mit der FDP.

Friedrich Das mag sein. Aber wenn wir alle politischen Felder betrachten, dann haben wir mit der FDP die meisten Schnittmengen.

Der Fisch stinkt gewöhnlich vom Kopf her. Der Kanzlerin wird Zaudern und Zögern vorgehalten. Steckt auch sie hinter dem Umfragetief?

Friedrich Die Kanzlerin hat gezeigt, dass sie nicht nur auf nationaler Ebene das Heft in der Hand hat, sondern auch auf europäischer Ebene. Das ist gut für Deutschland.

Mit welchen Themen wollen sie in der zweiten Halbzeit die Tore schießen?

Friedrich Die demografische Entwicklung kommt mit großen Schritten auf uns, zeigt bereits Auswirkungen im ländlichen Raum. Wir werden da überzeugende Antworten geben. Wir haben die Energiewende umzusetzen. Davon hängt auch das industrielle Schicksal unseres Landes ab. Das Abschalten der Kernkraftwerke ist das eine, das andere ist, sie durch andere Energiequellen zu ersetzen. Wir haben die große Herausforderung, Europa weiter zusammenzubringen und handlungsfähig zu halten. Es gibt genügend Herausforderungen, mit denen wir unter Beweis stellen können, dass wir als Union die richtigen Antworten haben.

Und dann kommt Schwarz-Grün?

Friedrich Das sehe ich am allerwenigsten. Ich sehe zwischen Schwarz und Grün die neue Frontlinie verlaufen. Zwischen denen, die sich der ökonomischen, technologischen und gesellschaftlichen Realität stellen, also der Union, und denen, die nicht begreifen, dass wir für unseren Wohlstand täglich neu die Voraussetzungen schaffen müssen.

Gregor Mayntz führte das Interview

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