27-Punkte-Plan der Union Innere Sicherheit wird Wahlkampf-Thema

Berlin · Mit einem 27-Punkte-Plan wollen die Innenminister der Union ihre Kompetenz in Sachen Terrorabwehr stärken. Sie stoßen dabei aber schon in den eigenen Reihen und erst recht bei SPD und Opposition auf heftigen Widerstand.

 Mitglieder einer Spezialeinheit der Bundespolizei bei einer Übung in Brandenburg.

Mitglieder einer Spezialeinheit der Bundespolizei bei einer Übung in Brandenburg.

Foto: dpa, wk gfh tba

Lorenz Caffier ist nicht irgendein Innenminister irgendeines Bundeslandes. Er koordiniert sämtliche Innenminister von CDU und CSU innerhalb der Innenministerkonferenz. Und er steckt mitten im Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern und damit unter immensem Druck der AfD, die der CDU in Umfragen bereits gefährlich nahe kommt. Caffiers "Berliner Erklärung", die übernächstes Wochenende von seinen Minister-Kollegen und Parteifreunden beschlossen werden soll, ist denn auch als Manifest von Härte und Tatkraft in Wahlkampfzeiten zu verstehen.

"Politik muss jetzt handeln"

Die innere Sicherheit sei das "zurzeit drängendste Thema", sagt Caffier, und deshalb müsse "Politik jetzt handeln". Er lässt dabei jede übliche Zurückhaltung fahren: "Die Deutschen müssen jetzt entscheiden, ob sie mehr Sicherheit oder mehr Datenschutz haben wollen." Dabei sollen die Unions-Innenminister auch die eigene Politik infrage stellen. Erst 2014 ist mit Zustimmung der Union die Optionspflicht bei der Staatsbürgerschaft hier geborener Türken gefallen. Bis zum Alter von 23 mussten sich bis dahin die meisten entscheiden und einen ihrer beiden Pässe abgeben. Nun will Caffier das kassieren: Wer die Staatsangehörigkeit wolle, müsse sagen, "wo seine Heimat sein soll".

Doch die Wahlkampfhilfe geht nicht so durch wie von Caffier geplant. Mehrere Minister haben bereits "Korrekturbedarf" angemeldet, und auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière relativierte das Papier mit seinen 27 Forderungen öffentlich als "einen Entwurf", bei dem er auch nicht mit allen Punkten einverstanden sei.

Das Grundkonzept der inneren Sicherheit aus Unionssicht versucht Caffier auf drei Sätze zu verdichten: "Wer vor Verfolgung, Krieg und Tod flüchtet, dem gewähren wir Schutz. Wir erwarten im Gegenzug aber die vollständige Akzeptanz unserer Regeln. Wer sich nicht an Recht und Gesetze hält oder nicht schutzbedürftig ist, muss Deutschland umgehend wieder verlassen."

Daraus folgen mehr als zwei Dutzend Forderungen. So wollen die Innenminister laut Entwurf 15.000 zusätzliche Polizisten bei Bund und Ländern ("zwischen 2015 und 2020"), mehr Investitionen in Ausstattung ("Langwaffen", also Gewehre, und "Bodycams", Mini-Kameras am Körper) und das technische Know-how der Polizei, Computer-Überwachung mittels "Bundestrojaner", ein Waffenverbot für Extremisten, ein Moschee-Finanzierungsverbot für extremistische Organisationen, die umgehende Ausweisung von Hasspredigern und ein Verbot der Vollverschleierung.

"Scheinsicherheitskonzept"

"Das ist ein Scheinsicherheitskonzept", sagt Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt zum Ende des Doppelpasses und zur Einführung des Burka-Verbotes. "Kleidungsvorschriften, und der Zwang, sich für nur einen Pass zu entscheiden, haben sehr wenig mit Sicherheit und viel mehr mit Kulturkampf zu tun", unterstreicht die Politikerin. Die CDU liege falsch, wenn sie glaube, dass ein Zurück in die Lebenswelt des letzten Jahrhunderts das Land friedlicher mache und Ängste in der Bevölkerung mindere. Göring-Eckardt: "Mancher Engpass von heute liegt in der Verantwortung jener Innenminister, die heute aktionistisch die Backen aufblasen."

Damit hat sie einen wunden Punkt in der aktuellen Debatte berührt. Mit großer Verärgerung reagieren CDU-Innenpolitiker seit Tagen auf den Vorwurf der SPD, sie hätten noch mehr Personal für die Sicherheitsbehörden seit Monaten verzögert. Der Regierungspartner möge sich doch bitte an die Wahrheit halten, ist noch eine der höflicheren Formulierungen. Denn in Zeiten erhöhter Terrorgefahren ist die Union in besonderem Maße auf ihre Kernkompetenz der inneren Sicherheit bedacht. Jeder Zweifel schlägt sich in Wahlkampf und Selbstwertgefühl doppelt nieder.

Kaum hat de Maizière einzelne Punkte des Papiers mit Fragezeichen versehen, wirft sich der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, für Caffier in die Debatte: Es sei "richtig und wichtig", was die Innenminister da nun auf den Weg bringen wollten. Und er fordert die anderen Parteien auf, "die Vorschläge ideologiefrei zu prüfen und zu unterstützen".

"Antiquierten Geisteshaltung"

Das ist in Wahlkampfzeiten extrem schwierig. Prompt ging Grünen-Parteichefin Simone Peter, die viele der CDU-Pläne im Bundesrat durchwinken müsste, demonstrativ auf Gegenkurs zur "antiquierten Geisteshaltung" der Union. Im Hauruck-Verfahren die Sicherheitsgesetze zu verschärfen und die doppelte Staatsbürgerschaft zu beenden, das führe nicht zu mehr Sicherheit, sondern stelle Migranten und Asylsuchende unter Generalverdacht. "Das ist in einer Zeit wachsender Gewalt gegen Flüchtlinge und Minderheiten verantwortungslos und schäbig", so Peter.

Enttäuscht reagierte auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland. "Ich vermisse gerade jetzt eine Unterstützung für die Religion als Identitätsstifter und den Glauben als Immunisierer gegenüber radikalen Vorstellungen", sagte Zentralratschef Aiman Mazyek. Es sei belegt, dass gerade religiös Ungebildete sich radikalisierten - als Reaktion auf eine gescheiterte Integration und mangelnde Alternativen.

(may- / mar)
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