ARD-Journalist besucht Moscheen "Die türkischen Predigten waren durchweg sehr politisch"

Düsseldorf · Mehrere Monate lang hat ARD-Journalist Constantin Schreiber Predigten in deutschen Moscheen besucht. Über seine Erfahrungen hat er nun ein Buch geschrieben. Eine Beobachtung: In türkischen Moscheen wird deutlich politischer gepredigt als in arabischen.

Herr Schreiber, glauben Sie, dass Sie mit Ihren Moschee-Besuchen eine Parallelwelt betreten haben?

Schreiber Ich habe für meine Reportage einzelne Predigten besucht. Ich selber bin sehr zurückhaltend damit, daraus generelle Ableitungen vorzunehmen. Es waren auch nicht alle Predigten extrem. Doch viele waren fremd und hielten ihre Zuhörer in einer anderen Welt.

Sie besuchten Moscheen verschiedener Islamverbände. Wie unterschieden sich die Predigten?

Schreiber Die türkischen Predigten waren durchweg sehr politisch. Die arabischen Predigten waren weniger politisch, dafür sehr theologisch-spirituell und konservativ.

Gab es Momente, in denen Sie positiv überrascht waren von dem, was gepredigt wurde?

Schreiber Leider nein. Es war grundsätzlich sehr schwierig, die Inhalte zu erfassen.

Und wie sieht es mit negativen Momenten aus?

Schreiber Es gab in ein paar Moscheen rassistische und antisemitische Ausfälle, etwa gegen Jesiden und Armenier.

Einige Moscheen, die Sie besucht haben, waren im wahrsten Sinne des Wortes Hinterhof-Moscheen – für die Öffentlichkeit als islamisches Gebetshaus nicht erkennbar. Das nährt den Verdacht, dass dort etwas versteckt werden soll.

Schreiber Dazu kann ich wenig sagen, da meine Besuche Momentaufnahmen waren.

Aber es gibt nicht einmal eine keine genaue Erhebung zur Zahl der Moscheen in Deutschland. Ist das nicht ein Problem?

Schreiber Ja, es macht es schwierig, mit den jeweiligen muslimischen Gemeinden in Kontakt zu kommen. Wo sind die Gebetsräume, wer sind die Ansprechpartner? Ich habe erst im Zuge der Recherche gemerkt, dass dies eine erste große Hürde ist.

Sie beschreiben in Ihrem Buch auch Probleme, die Sie anfangs bei der Übersetzung der Predigten hatten. Niemand traute sich zunächst an die Materie heran. Vielleicht auch deswegen, weil islamische Predigten wie auch der Koran stets Auslegungssache sind?

Schreiber In der Tat. Insbesondere die Übersetzung der arabischen Predigten war ausgesprochen schwierig, da sie sprachlich komplizierte textliche Gebilde darstellten. Da musste der Übersetzer schon ein gründliches religiöses Vorwissen mitbringen.

Imame des Islamverbands Ditib haben in Deutschland Anhänger des Erdogan-Erzfeindes Fethullah Gülen ausspioniert. Sind Ihnen Aufrufe zur Denunziation islamischer Gruppen untergekommen?

Schreiber Das Wort Denunziation würde ich nicht verwenden. Es gab in mehreren Predigten Diskussionen darum, welche islamische Glaubensrichtung und Gruppen die rechtmäßigen Vertreter des Islam sind. In den türkischen Predigten wurde an mehreren Stellen Bezug genommen auf die Gülen-Bewegung und diese als illegitim dargestellt.

Wie wurde in den Predigten das Leben in Deutschland dargestellt?

Schreiber In mehreren Predigten war das Leben in Deutschland eine Bedrohung für die Muslime.

Wie waren die Altersstrukturen der Zuhörer?

Schreiber Das ist so pauschal bei der großen Zahl an Anwesenden schwer konkret zu sagen. Mir ist jedenfalls die große Zahl an jungen Menschen in allen Predigten aufgefallen.

Waren die meisten Zuhörer Ihrer Meinung nach "Stammgäste" oder nur ausnahmsweise vor Ort?

Schreiber Dazu kann ich nichts sagen.

Wie reagierten die Imame, als Sie sich als Journalist zu erkennen gaben?

Schreiber Die meisten waren überrascht, dass ich einfach so in die Predigt gegangen bin und mit ihnen darüber sprechen wollte. Das kannten die nicht. Es hat offenbar in den Moscheen, in denen ich war, noch keiner bis dahin gemacht.

Ihre Betrachtungen sind nicht repräsentativ. Dennoch: Welche Konsequenzen oder Denkanstöße erhoffen Sie sich von Ihrer Stichprobe?

Schreiber Dass wir miteinander intensiver darüber diskutieren, welche Rolle Moscheen bei den Integrationsbemühungen haben, damit wir uns näher kommen anstatt uns zu entfremden.

Constantin Schreiber: "Inside Islam – was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird", Econ Verlag, Berlin 2017, 256 Seiten, 18 Euro

(jaco)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort