Sommerinterview mit Barbara Hendricks "Der Glaube erdet mich"

Berlin · Die Bundesumweltministerin spricht im Interview mit unserer Redaktion über Kirchgänge, ihre Sturheit und darüber, warum Niederrheiner eigentlich westfälische Rheinländer sind.

Barbara Hendricks - Die Umweltministerin im Porträt
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Das ist Barbara Hendricks

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Foto: dpa, Kay Nietfeld

Es ist fast Feierabend an diesem heißen Freitagnachmittag. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat trotzdem Zeit für ein ausführliches Gespräch, das wir im Rahmen unserer Reihe "Kurs halten" mit prominenten Zeitgenossen am Wasser führen. Wir treffen die Ministerin am Neuen See im Berliner Tiergarten. Dort gibt es Biertischgarnituren mit Selbstbedienung. Hendricks gehört nicht zu den Ministern, die Aufsehen erregen. So können wir ganz ungestört mit ihr sprechen.

Hanns Dieter Hüsch hat über den Niederrheiner gesagt: Er weiß nichts, kann aber alles erklären. Trifft das auf Sie auch zu?

Hendricks Hüsch hat eigentlich immer recht. Alles erklären zu können, ist ja für eine Politikerin keine schlechte Eigenschaft.

Hilft das im Kabinett und in Talkshows?

Hendricks Im Kabinett wird ja nicht diskutiert. Da wird beschlossen. Aber Politik erklären zu können, ist schon wichtig - in Talkshows, aber auch im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern. Ich glaube, dass ich mich ganz gut darauf einstellen kann, ob ich Kindern oder Erwachsenen Politik erkläre.

Und den Teil, dass Sie nichts wissen, weisen Sie nicht mit Empörung zurück?

Hendricks Ein bisschen von dem, was ich erklären kann, weiß ich schon auch.

Haben Sie da eine Einstellung wie Sokrates - ich weiß, dass ich nichts weiß?

Hendricks Es ist doch klar, dass ich nicht alles selbst wissen kann. Mein Ressortbereich hat 5000 Mitarbeiter, ich kann doch nicht die Summe von deren Wissen im Kopf haben. Aber ich muss denen die richtigen Fragen stellen und Sachverhalte einordnen. Das kann ich schon.

Was ist an Ihnen jenseits von Hüsch typisch niederrheinisch?

Hendricks Wir Niederrheiner sind ja die westfälischsten Rheinländer. Das trifft auch auf mich zu.

Sind Sie stur?

Hendricks Kommt vor.

Welchen Einfluss hat Ihr katholischer Glaube auf die Politik, die Sie machen?

Hendricks Politische Entscheidungen klopfe ich nicht nach Bibelsätzen ab. Aber der Glaube gibt mir einen festen Grund. Er erdet mich.

Sind Sie Kirchgängerin?

Hendricks Gelegentlich, aber nicht regelmäßig.

Stimmt es eigentlich, dass Sie zu den Merkel-Fans in der SPD gehören?

Hendricks So möchte ich mich nicht bezeichnen. Ich bin nicht Fan von irgendjemandem. Aber ich schätze die Art, wie Frau Merkel die Regierung führt.

Sie sind seit 1972 Mitglied in der SPD. Damals standen die Sozialdemokraten bei 46 Prozent. Heute ist es weniger als die Hälfte. Jenseits der Erklärungen von sich auflösenden Wähler-Milieus und neuen Parteien - macht Sie das ratlos?

Hendricks Ja, das macht mich ratlos im Sinne der Frage: Warum wird unsere Politik nicht wahrgenommen? Wir bewegen ja eine Menge, dringen damit aber nicht ausreichend durch. Wir sprechen da aber nur über die Bundesebene. In den Ländern gibt es eine ganz andere Zustimmung. Wir stellen neun von 16 Ministerpräsidenten.

Sie haben viele Krisen mit Ihrer Partei und 13 Vorsitzende erlebt. Haben Sie schon mal gedacht: Ich schmeiße das alles hin?

Hendricks Nein, und das habe ich auch nicht vor. Im Gegenteil: Ich werde 2017 noch einmal für den Bundestag kandidieren.

Wollen Sie auch Ministerin bleiben?

Hendricks Das ist eine Frage, auf die man besser nicht antwortet. Ich denke, ich habe meine Arbeit bis jetzt anständig gemacht.

Hielten Sie es für gut, wenn von der Bundespräsidentenwahl ein rot-rot-grünes Signal ausginge?

Hendricks Ich halte nichts davon, in der Wahl des Bundespräsidenten ein Signal für die Bildung einer Koalition auf Bundesebene zu sehen. Im Vordergrund steht doch, dass wir uns zwischen den Parteien auf eine angesehene, überzeugende Persönlichkeit einigen. Mit welchen Mehrheitsverhältnissen, das weiß man spätestens nach dem dritten Wahlgang.

Sie rechnen mit drei Wahlgängen für das Staatsoberhaupt?

Hendricks Nicht, dass ich mir das wünschte. Aber Stand heute kann man noch nicht sagen, inwieweit eine Vorabstimmung zustande kommen wird. Ein Signal für diese oder jene Koalition wird es aber nicht geben. Und das steht auch nicht im Vordergrund.

Sie wären ja auch gerne Verteidigungsministerin geworden . . .

Hendricks Och nö. Das ist mir nur nachgesagt worden.

Sind Sie heute froh, dass es das Umweltressort geworden ist?

Hendricks Ja, sowohl für die Umwelt als auch für Bauen und Stadtentwicklung möchte ich etwas bewegen. Wir haben unglaublich viele Themen, die wir voranbringen müssen - vom Klimaschutzplan über die Organisation der Endlagersuche bis hin zur Offensive für den Naturschutz. Zudem müssen wir die Städte aufnahmefähig machen für alle, die dorthin ziehen wollen.

Bei der Klimaschutzkonferenz in Paris standen Ihnen die Tränen in den Augen. Wie kam es dazu?

Hendricks Es war ein Moment der Erleichterung. Wir haben da zehn bis zwölf Tage bei Kunstlicht Tag und Nacht gearbeitet und uns nur von wenig mehr als Pappbrötchen ernährt. Jetzt müssen wir die völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Klimaschutz auch umsetzen und uns alle fünf Jahre selbst überprüfen, ob wir noch auf Kurs sind.

Um unsere Klimaschutzziele zu erreichen, müssten wir nicht bis spätestens 2030 die Braunkohleverstromung beenden?

Hendricks Die Klimavereinbarung von Paris verpflichtet uns, unsere Wirtschaft bis zur Mitte dieses Jahrhunderts weitgehend treibhausgasneutral zu gestalten. Das kann nur gelingen, wenn wir jetzt einen Pfad betreten, der uns aus der Kohleverstromung herausführt - zügig, aber nicht überstürzt, und wenn wir bei der Gestaltung dieses Pfads alle einbeziehen: Unternehmen, Beschäftigte, Regionen und Länder. Wichtiger als die Festlegung eines Zieldatums ist, dass wir uns jetzt auf den Weg machen.

Haben Sie als Umweltministerin etwas an Ihrer Lebensführung geändert - Veggie-Day, Elektroauto oder produzieren Sie vielleicht weniger Müll?

Hendricks Das alles nicht. Ich will auch nicht demonstrativ bestimmte Lebensweisen vorgeben. Aber ich persönlich esse ohnehin nicht jeden Tag Fleisch. Ich habe schon immer gerne auf dem Fahrrad Urlaub gemacht, und da ich nicht sehr konsumorientiert bin, muss ich auch nicht so viel wegwerfen. So bin ich. Ich verhalte mich nicht wegen meines Amtes so.

Zu Beginn Ihrer Amtszeit haben Sie öffentlich gemacht, dass Sie mit einer Frau zusammenleben. Hat das für Sie etwas verändert?

Hendricks Nein. In meiner Heimat war es ja auch schon bekannt.

War es für Ihre Lebenspartnerin eine Erleichterung?

Hendricks. Das war ihr recht. Das hatten wir besprochen.

Eva Quadbeck führte das Gespräch.

(qua)
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