Carstensen gegen Stegner Intimfeinde vor Gericht

Hamburg (RPO). Sie beschimpften einander schon als "notorischen Störenfried" und als "Lügner". Seit Jahren pflegen Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und der Kieler SPD-Partei- und Fraktionschef Ralf Stegner eine Männerfeindschaft, wie sie in der deutschen Politik ihresgleichen sucht. Jetzt geht der Streit vor Gericht.

Das ist Peter Harry Carstensen
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Die große Koalition in Kiel zerbrach im vorigen Jahr maßgeblich unter den Belastungen dieser Dauerfehde, die nun um eine weitere Facette reicher ist: Im Streit um den Inhalt eines Telefonats von 2007 hat Stegner Carstensen per einstweiliger Verfügung gerichtlich untersagen lassen, er habe darin um Pensionsansprüche gefeilscht. Carstensen indes beharrt auch weiterhin auf seiner Darstellung des Gesprächs und hat Widerspruch gegen die Gerichtsentscheidung eingelegt.

Deswegen wird der Fall am Freitag vor den Richtern der Pressekammer des Landgerichts Hamburg verhandelt. Zwar verzichtete das Gericht vorerst darauf, die beiden heillos zerstrittenen Rivalen persönlich zu laden. Je nach Prozessverlauf aber ist es nach Angaben eines Gerichtssprechers zumindest nicht ausgeschlossen, dass Carstensen und Stegner aussagen müssen.

Die bizarre Geschichte um das strittige Telefonat führt in eine Zeit, als die von CDU und SPD im Norden 2005 geschlossene Koalition zunehmend unter Streitereien zwischen Stegner und der CDU litt. Der als scharfzüngig bekannte SPD-Politiker war unter Regierungschef Carstensen Innenminister. Nachdem Stegner 2007 zusätzlich auch zum SPD-Landeschef gewählt worden war, warf ihm die CDU vor, er profiliere sich auf Kosten Carstensens. Im September 2007 war das Klima derart vergiftet, dass die Christdemokraten die Fortsetzung der Koalition von einem Rückzug Stegners aus dem Kabinett abhängig machten.

Auf dem Höhepunkt der damaligen Koalitionskrise ging Stegner dann in einem Telefonat mit Carstensen auf die Forderung ein, zog sich aus dem Kabinett zurück und wurde SPD-Fraktionschef. Zuvor aber soll er - so zumindest behauptete es Carstensen kürzlich auf einer politischen Aschermittwochsveranstaltung der CDU - mit ihm minutenlang um den Zeitpunkt seines Ausscheidens gefeilscht haben. Er habe unbedingt eine Mindestverweildauer im Amt erreichen wollen, um sich Pensionsansprüche als Ex-Landesminister zu sichern, sagte der 62-Jährige.

Der 50-jährige Stegner ließ Carstensens Darstellung als falsch zurückweisen und erwirkte am Montag vor dem Landgericht Hamburg die einstweilige Verfügung. Doch der schleswig-holsteinische Landesvater wollte nicht klein beigeben und legte Widerspruch ein, weswegen die Posse in Hamburg vor dem Kadi fortgesetzt wird.

Der Rechtsstreit ist der vorläufige Endpunkt einer persönlichen Feindschaft, die die Politik in Schleswig-Holstein seit Jahren belastet. Als CDU und SPD 2005 in Kiel ihre Koalition bildeten, galt dies ohnehin als Notlösung. Bald aber stellte sich heraus, dass sich die Führungspersonen Carstensen und Stegner menschlich derart unsympathisch waren, dass an Zusammenarbeit teils kaum zu denken war.

Carstensen stammt aus dem ländlichen Nordfriesland. Der Agraringenieur gilt als bodenständiger und harmoniebedürftiger "König der Volksfeste". Stegner ist ein an der US-Eliteuniversität Harvard ausgebildete Politikwissenschaftler, der für seine intellektuell-kühle und polarisierende Art bekannt ist.

Auch Stegners Rückzug aus dem Kabinett konnte die Lage damals nicht dauerhaft entschärfen. 2009 zerbrach die Koalition angesichts immer neuer Auseinandersetzungen, bei der sich Carstensen und Stegner Versagen und unfaires Verhalten vorwarfen. Der SPD-Politiker bezichtigte den Ministerpräsidenten im Streit um die Genehmigung Bonuszahlungen für Manager der schwer angeschlagenen HSH-Nordbank der Lüge. Der Ministerpräsident warf Stegner vor, er schüre mit "Winkelzügen" den Konflikt. Ein Ende des Konflikts ist angesichts der unversöhnlichen Haltung der beiden nicht abzusehen.

(AFP)
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