Jamaika in Berlin FDP und Grüne warten auf die Union

Berlin · Während die kleinen Parteien in den Startlöchern für eine Jamaika-Koalition sitzen, beginnt in der Union eine Grundsatzdebatte.

 Schon nach der Bundestagswahl 2005 gab es Sondierungsgespräche zwischen Union und Grünen. Die Gemeinsamkeiten der damaligen Partei-Vorsitzenden Claudia Roth (l.) und Angela Merkel beschränkten sich jedoch auf die Mantelfarbe. (Montage)

Schon nach der Bundestagswahl 2005 gab es Sondierungsgespräche zwischen Union und Grünen. Die Gemeinsamkeiten der damaligen Partei-Vorsitzenden Claudia Roth (l.) und Angela Merkel beschränkten sich jedoch auf die Mantelfarbe. (Montage)

Foto: Reuters

FDP und Grünen haben am Wochenende erneut das Signal gesetzt, dass sie bereit sind, eine Jamaika-Koalition zu verhandeln. Damit setzen die möglichen kleinen Regierungspartner die mit sich selbst beschäftigte Union unter Druck.

Bei einem kleinen Parteitag der Grünen am Samstag in Berlin bekannte sich sogar der linke Flügel der Partei dazu, mit Liberalen und Union verhandeln zu wollen. "Der Wähler hat uns einen Auftrag gegeben", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Allerdings gab es auch mahnende Stimmen, nicht "um jeden Preis" in eine Koalition mit dem bisherigen politischen Gegner zu gehen.

Ungewohnte Einigkeit

FDP und Grüne wirken ungewohnt einig. Beide Seiten pochen darauf, dass es zunächst jeweils Zweier-Gespräche geben soll. "Wir legen Wert darauf, dass zunächst bilateral gesprochen wird. Also FDP und Union, FDP und Grüne, Union und Grüne", sagte FDP-Chef Christian Lindner in der "Bild am Sonntag". In einem davon unabhängig geführten Interview forderte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt dies fast wortgleich. Zugleich bestreiten beide, dass es schon Vorabsprachen gab.

Die Union wirkt derweil sehr schlecht sortiert. Am Wochenende forderten die ostdeutschen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (Sachsen) und Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt) auf den Erfolg der AfD mit einer Kurskorrektur nach rechts zu reagieren. "Wir haben Platz gelassen rechts von der Mitte. Viele unserer Anhänger haben uns nicht mehr für wählbar gehalten", sagte Tillich der "Funke-Mediengruppe". In Sachsen wurde die AfD mit fast 30 Prozent stärkste Kraft.

Flüchtlingspolitik im Mittelpunkt

Der Streit um die Flüchtlingspolitik ist immer noch der Dreh- und Angelpunkt in dem nur mühsamen aus dem öffentlichen Diskurs ferngehaltenen Streit zwischen CDU und CSU. Seit dem Wahlabend brodelt es in der Union. Während die CSU offen ankündigte, sich angesichts ihren schlechten Wahlergebnisses neu aufstellen zu wollen, erklärte Kanzlerin Angela Merkel zunächst: "Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen sollen."

Hinter verschlossenen Türen setzen die Debatten aber ein. Als Merkel am Montag nach der Bundestagswahl im Präsidium erklärte, dass sie und CSU-Chef Horst Seehofer den bisherigen Fraktionschef Volker Kauder erneut für den Posten vorschlagen wollen, fragte Finanzstaatssekretär Jens Spahn: "Für wie lange?" Daraufhin soll Kauder ihm vorgeworfen haben, Spahn telefoniere hinter seinem Rücken, um gegen ihn mobil zu machen. Zu hören ist aber auch, dass vielmehr Kanzleramtsminister Peter Altmaier etliche Abgeordnete angerufen und auf die Wahl Kauders eingeschworen haben soll. Am Mittwoch war Kauder dann mit 77 Prozent gewählt worden - das mit Abstand schlechteste Ergebnis, das er je hatte.

Gemeinsame Linie

Am kommenden Sonntag wollen sich die Spitzen von CDU und CSU treffen, um eine gemeinsame Linie für die Koalitionsverhandlungen zu finden. Im Mittelpunkt dürfte dabei erneut die Flüchtlingspolitik stehen. Es gilt als wahrscheinlich, dass sich die CSU von dem Begriff "Obergrenze" wird verabschieden müssen, da CDU, FDP und Grüne das Asylrecht nicht antasten wollen.

Doch selbst wenn der Union eine Einigung gelingt, sind damit weder in der CDU noch in der CSU die Richtungs- und Personaldebatten beendet. Die Gruppierungen in der CDU, die schon länger immer wieder Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik geübt haben, drängen auch auf eine personelle Veränderung. Aus ihrer Sicht könnte eine zentrale Position für Spahn das Signal setzen, wonach die CDU eine leichte Kurskorrektur vornimmt. Nach dieser Theorie könnte Spahn Generalsekretär oder Minister werden.

Gegen das Amt des Generalsekretärs spricht, dass Merkel und er kein Vertrauensverhältnis haben. Im Gegenteil: Seitdem Spahn auf dem Parteitag im vergangenen Dezember eine Mehrheit für die Abschaffung des Doppelpasses bekommen hat, gilt das Tischtuch als zerschnitten. Dabei wäre Spahn eine gute Besetzung für den Job: Zudem liegt ihm die Offensive, und er pflegt gute Kontakte zu Grünen und zu Liberalen.

Tofu in die Fleischsuppe gefallen

Selbst wenn es der Union gelingen sollte, sich am kommenden Wochenende harmonisch zu sortieren, stehen einem künftigen Jamaika-Bündnis beinharte Verhandlungen bevor. So sendet der neue CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt Signale aus, als wolle er sich ohnehin nicht mit den Grünen an einen Verhandlungstisch setzen. "Ich hätte lieber eine bürgerliche Mehrheit von Union und FDP gehabt. Jetzt ist uns Tofu in die Fleischsuppe gefallen."

Und trotz strategischer Einigkeit zwischen FDP und Grünen bleiben die inhaltlichen Unterschiede immens. So erklärte Lindner: "Es wäre in Ordnung, wenn ein grüner Finanzminister die Mittelschicht entlastet und den Soli abschafft, während ein liberaler Umweltminister eine vernünftige Energiepolitik ohne die ökologisch unwirksamen und unsozialen Subventionen macht. Nur sehe ich keinen Grünen, der für diese Politik stehen würde." Göring-Eckardt sieht genau beim Umwelt- und Klimaschutz die höchsten Hürden für Jamaika.

(qua)
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