Christian Lindner nach Jamaika-Aus "Man wollte uns in eine Ecke mit Trumps Politik rücken"

Berlin · Nach dem Aus der Jamaika-Verhandlungen hat Christian Lindner in einem Brief bei der FDP-Basis um Verständnis geworben. Er klagt darin auch über das angeblich feindselige Klima unter den Gesprächsteilnehmern.

Jamaika gescheitert: FDP bricht Gespräche zu Jamaika-Koalition in der Nacht ab
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FDP bricht die Jamaika-Sondierungen ab

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Foto: dpa, mkx hjb

Kaum waren die Sondierungsgespräche abgebrochen worden, schoben sich die Parteien gegenseitig den Schwarzen Peter zu, wer denn nun Schuld daran habe, dass es nicht funktioniert hat mit Jamaika auf Bundesebene. Insbesondere die FDP, die die Verhandlungen abgebrochen hatte, wurde von allen Seiten kritisiert.

Parteichef Christian Lindner legt nun in einem Brief an die FDP-Mitglieder seine Version der Dinge dar und wirbt um Verständnis. Den Brief hat er auch bei Facebook veröffentlicht. Man habe keine gemeinsame Idee zur Gestaltung des Landes und keine gemeinsame Vertrauensbasis aufbauen können, heißt es darin.

Die FDP sei für Trendwenden gewählt worden, schreibt Lindner in dem Brief, aber diese seien nicht erreichbar gewesen. "Den Geist des Sondierungspapiers können wir nicht verantworten. Viele der diskutierten Maßnahmen halten wir für schädlich." Die Partei wäre gezwungen gewesen, ihre Grundsätze aufzugeben "und alles das, wofür wir Jahre gearbeitet haben". Doch man wolle die Wähler nicht im Stich lassen, indem man eine Politik mittrage, von der man nicht überzeugt sei.

Der Parteichef geht in dem Brief nicht nur auf "fachliche Differenzen" ein, sondern kritisiert auch das Klima unter den Sondierungsteilnehmern. So habe er Hinweise bekommen, dass Gesprächsteilnehmer seiner Partei von anderen im Austausch mit Journalisten immer wieder "verächtlich gemacht wurden". "Schließlich mussten wir in Interviews einzelner Sondierungsteilnehmer anderer Parteien nachlesen, dass man uns in eine Ecke mit der Politik Donald Trumps rücken wollte", schreibt Lindner weiter und fügt hinzu: "Unter solchen Umständen gedeiht das zarte Pflänzchen gegenseitigen Vertrauens wohl kaum."

Inhaltlich geht Linder auf mehrere Punkte ein, um darzulegen, dass die Verhandler seiner Partei zu Kompromissen bereit gewesen seien. Neben der Europapolitik sind das folgende:

  • Finanzpolitik: Hier legt er dar, dass die FDP auf eine große Steuerreform verzichtet hätte und bereit gewesen wäre, den Solidaritätszuschlag in Stufen bis zum Ende der Legislaturperiode abzuschaffen. "Wir mussten erkennen, dass dazu keine Bereitschaft bestand." Am Ende habe mehr oder weniger das Wahlprogramm der Union vorgelegen.
  • Zuwanderung: Lindner hebt noch einmal hervor, dass man ein Einwanderungsgesetz hätte haben wollen, "dies wäre erreichbar gewesen". Beim Familiennachzug aber habe es bis Sonntagabend immer noch keine Einigung gegeben.
  • Bildung: Für die FDP bedeutet das laut Brief, nicht nur Geld auszugeben, sondern auch eine "grundlegende Reform des deutschen Bildungsföderalismus". "Die Union hat Ideen vorgelegt, die CSU war hier jedoch zu keinem Schritt bereit." Und auch bei den Grünen sei in Teilen gegen eine Modernisierung gewettert worden.
  • Klima: Hier zeigt Lindner, wie weit die Parteien auseinanderlagen in Bezug darauf, wie viele Kohlekraftwerke abgeschaltet werden sollen.

"Nach vier Wochen lag aber unverändert nur ein Papier mit zahllosen Widersprüchen, offenen Fragen und Zielkonflikten vor", fasst Lindner die Lage zusammen. Wo es Übereinkünfte gegeben habe, "sollten sie mit viel Geld der Bürger oder Formelkompromissen erkauft werden".

Das Experiment Jamaika sei gescheitert, denn am Ende habe auf dem Verhandlungstisch im Wesentlichen "ein ambitioniertes 'Weiter so' auf dem Kurs der Großen Koalition, gespickt mit zahlreichen Wünschen der Grünen" gelegen. "Dafür können und wollen wir nicht zur Verfügung stehen."

(das)
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