Finanzpapier der Jamaika-Sondierer Schwarz-Gelb überstrahlt Grün

Meinung | Berlin · Das erste gemeinsame Arbeitspapier der Jamaika-Sondierer macht deutlich, wohin die Reise in der künftigen Finanzpolitik ungefähr gehen soll. Es zeigt aber auch, was Jamaika nicht anstrebt.

 Die Sondierungsgespräche am 24. Oktober in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin.

Die Sondierungsgespräche am 24. Oktober in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin.

Foto: dpa, nie sab

Steuererhöhungen etwa finden sich nicht in dem Papier, ebenso wenig Pläne zur Vereinfachung des komplizierten Steuersystems, zur überfälligen Reform der Mehrwertsteuer zum Beispiel. Damit will sich Jamaika nicht aufhalten, wohlwissend, dass ein Aufräumen im Steuersystem jede Menge neuen Konfliktstoff böte. Wichtig wäre ein Aufschlag zur Steuervereinfachung allemal, denn das deutsche System ist eines der kompliziertesten der Welt.

Abgesehen von dieser Schwäche bietet das Papier eine vernünftige Grundlage für weitere Verhandlungen. Alle vier Parteien bekennen sich zum ausgeglichenen Haushalt und zur Schuldenbremse. Das war nicht selbstverständlich, denn hinter der als "Fetisch" des Ex-Finanzministers Wolfgang Schäuble kritisierten "schwarzen Null" haben Teile der Grünen, der FDP und selbst der Union durchaus ihre Fragezeichen gemacht.

Da die Konjunktur mindestens für weitere zwei Jahre stabil bleiben wird, die Beschäftigung noch länger auf Rekordhöhe verharren dürfte, wäre der Wiedereinstieg in die Neuverschuldung auch konjunktur- und europapolitisch falsch.

Fülle an Enlastungsschritten soll geprüft werden

Vor allem aber aus demografischen Gründen bleibt es sinnvoll, die anhaltend guten Zeiten weiter zur Schuldenbegrenzung zu nutzen. Künftige Generationen werden an den finanziellen Auswirkungen des Alterungsprozesses der Gesellschaft ohnehin noch genug zu tragen haben.

Indem Jamaika Substanzsteuern von Beginn an ablehnt, geben die Grüne ihre Forderung nach einer Vermögensteuer frühzeitig auf, die eine Substanzsteuer wäre. Selbst die von den Grünen ebenfalls geforderte Erhöhung der Erbschaftsteuer ist mit dieser frühen Festlegung genau genommen schon vom Tisch.

Auch die Fülle an Entlastungsschritten, die Jamaika laut dem Papier prüfen will, spricht für die Durchsetzungskraft von FDP und Union. Die Entlastung von Familien und von unteren und mittleren Einkommen, die Einführung einer steuerlichen Förderung von Forschungsausgaben der Unternehmen oder die beabsichtigte Förderung des Mietwohnungsbaus werden mit Union und FDP nach Hause gehen, nicht mit den Grünen. Der Einstieg in den Abbau des Solidaritätszuschlags dürfte ein Punkt für die FDP werden.

Was den Grünen bleibt

Für die Unternehmen zusätzlich auch noch die degressiven Abschreibungsbedingungen verbessern zu wollen, wie im Papier angedeutet wird — ebenfalls eine Forderung der FDP — wäre allerdings zu viel des Guten. Allenfalls im Wohnungsbau könnte diese Maßnahme sinnvoll sein. Der Rest der boomenden Wirtschaft braucht keinen zusätzlichen Wind unter den Segeln.

Den Grünen bliebe als Trophäe die mögliche weitere Förderung der energetischen Gebäudesanierung und der Abbau klimaschädlicher Subventionen. Gegen diesen sinnvollen Subventionsabbau dürfte es jedoch massiven Widerstand der Subventionsempfänger geben.

Sollte sich Jamaika etwa auf die Abschaffung des steuerlichen Dieselprivilegs, der Ökosteuer-Ausnahmen für die Industrie oder der Agrardieselsubventionen für Landwirte einigen wollen, wäre dies dann nur unter größten Anstrengungen gegen den lautstarken Protest der Interessengruppen durchsetzbar.

(mar)
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