Regierungsbildung Jamaika-Verhandlungen stehen Spitz auf Knopf

Berlin · Union, FDP und Grüne haben es nicht geschafft, den Sondierungs-Zeitplan einzuhalten. Zu sehr beharren alle auf ihren Positionen. Sie geben den Gesprächen aber noch eine Chance.

 Die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft in Berlin neben dem Reichstag (Archivfoto)

Die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft in Berlin neben dem Reichstag (Archivfoto)

Foto: dpa, nie fgj

Die Jamaika-Unterhändler gehen nach erfolglosen Bemühungen um eine tragfähige Grundlage für Koalitionsgespräche in die Verlängerung. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Kanzleramtsminister Peter Altmaier (beide CDU) konnten in der Nacht zu Freitag ein Scheitern der Sondierung abwenden. Die Sondierungsverhandlungen wurden bis Sonntagabend verlängert. Um 18 Uhr soll nach Angaben des FDP-Politikers Wolfgang Kubicki aber wirklich Schluss sein.

Dann komme die große Sondierungsrunde mit 56 Unterhändlern der vier Parteien zur abschließenden Entscheidung zusammen. Für die CDU hat es sich zum Problem entwickelt, dass die CSU - hier vor allem Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und nicht der parteiintern angeschlagene Vorsitzende Horst Seehofer - keinen Millimeter von der mit Merkel nach der Bundestagswahl mühsam erarbeiteten Unionslinie in der Flüchtlingspolitik abweichen will.

Demnach verweigert sie jegliche Zugeständnisse zur Grünen-Forderung, das Verbot des Familiennachzugs von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus nicht über März 2018 hinaus zu verlängern. Für die Grünen ist dieses Signal zur besseren Integration vor allem der vielen nach Deutschland gekommenen Männer dringend nötig. Sie widersprechen Angaben der CSU, wonach dann noch einmal viele hunderttausend Menschen kämen.

Der Linken-Politiker Gregor Gysi sagte unserer Redaktion: "Die Grünen dürfen allerdings nicht auch noch beim Familiennachzug umfallen, weil dies an ihre Substanz ginge." Er warnte: "Sollte eine Jamaika-Koalition gerade am Familiennachzug scheitern, bekäme die AfD bei Neuwahlen ein noch besseres Ergebnis. Da nützte es der CSU dann gar nichts, dass sie jetzt auf AfD light gemacht hat." Insgesamt sprach er von einem "inhaltlichen großen Gewurschtel". Jamaika würde die Probleme der Altersarmut und der Kinderarmut nicht grundlegend angehen und keine wirklich sozial gerechte Politik betreiben.

Die Kommunen signalisierten beim Familiennachzug Kompromissbereitschaft. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, unserer Redaktion: "Wir können uns vor allem eine stärkere Einzelfallbetrachtung beim Familiennachzug vorstellen." Es könnten zunächst nur Familienangehörige von Flüchtlingen nachziehen, die ihre Familie selbst ernähren könnten und eine Wohnung hätten. Zusätzlich könnte es eine aufgeweichte Härtefallregelung geben", sagte der Kommunalvertreter. "Das heißt, dass zunächst nur diejenigen nachkommen dürfen, die in Syrien in den besonders gefährlichen Kriegsgebieten leben: Damaskus nein, Aleppo ja."

Der Städtebund hatte bisher darauf bestanden, den Familiennachzug weiter auszusetzen. Die deutsche Wirtschaft bezeichnete die weitere Jamaika-Verhandlungsrunde als richtig. "Auch auf der Zielgeraden der Sondierungsgespräche gilt: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit", sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer. Die FDP bestand darauf, dass am Ende der Legislaturperiode der Solidaritätszuschlag komplett abgebaut sein muss. "Uns fehlt das Verständnis, warum der Union, die selbst 15 bis 16 Milliarden Entlastung versprochen hat, der Sprung auf 20 Milliarden so schwer fällt", sagte Präsidiumsmitglied Marco Buschmann.

Die FDP gehe nach wie vor davon aus, dass eine Verständigung möglich ist, zu wenig habe sich bisher aber nicht nur beim Thema Familiennachzug bewegt, sondern auch bei der Vorratsdatenspeicherung, beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz und einem eigenen Digitalisierungsministerium. Zudem muss nach Überzeugung der Liberalen das Kooperationsverbot in der Bildung fallen, damit der Bund für mehr Qualität sorgen könne. "Mehr Beton reicht nicht", unterstrich Buschmann. In diesem Zusammenhang sprach er von einem Scheitern der Sondierungsgespräche. Dann würden FDP und Grüne in die Opposition gehen und die Union behalte den Auftrag zur Regierungsbildung. Dann sei es "Aufgabe von Frau Merkel, das weiter auszuloten". Aber auch in der Energiepolitik lagen die Vorstellungen der Parteien noch auseinander.

Ein Kompromissvorschlag der Union, künftig auf sieben Megawatt Kohleverstromung zu verzichten, fand zwar bei den Grünen Zustimmung, nicht aber bei der FDP, die dadurch die Sicherheit der Stromversorgung gefährdet sieht. SPD-Chef Martin Schulz appellierte an die beteiligten Parteien, "dass sie zu Potte kommen sollen". Merkel sagte, die Verhandlungen würden sicherlich hart. Aber: "Die Aufgabe, eine Regierung für Deutschland zu bilden, die ist eine so wichtige Aufgabe, dass sich die Anstrengung lohnt."

(RP)
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